Blines Reisebericht - Erste Kolumbienreise Juli 2013

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Bline
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Blines Reisebericht - Erste Kolumbienreise Juli 2013

Beitrag von Bline »

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Vom Marktplatz startete die Jeeps von Salento zum Valle de Cocora. Da die Jeeps sehr schnell voll waren, standen wir letztlich hinten auf dem Tritt, nicht der schlechteste Platz, denn der Fahrtwind kühlte angenehm und wehte uns um die Haare. Neben uns stand zufällig Phillipe und erzählte Juan so einiges. An der Haltestelle angekommen sprangen wir ab. Vorher war klar verabredet, dass wir nicht reiten wollen, um die Kosten im Rahmen zu halten. Doch ehe wir uns versahen, saßen wir jeder auf einem gesattelten Criollo und ritten, vom zu Fuß gehenden Phillipe begleitet los. Pro Person 30.000 Pesos. Philippe, der sich als Tourenbegleiter herausstellte, trieb die Pferde über den steinigen und matschigen Weg vorbei an den Fußgängern. Jegliche Versuche, irgendeinen Einfluss auf die Pferde auszuüben, waren sinnlos, denn diese gehen ihren Weg im Schlaf mehrmals täglich und lassen sich durch nichts irritieren. Es ging schon bald in den Wald, bergauf, kreuz und quer immer wieder über das steinige Flussbett. Unsere Warmblüter hätten sich die Beine gebrochen. Nach 1,5 Stunden war Halt. Hier mussten wir absteigen und zu Fuß weitergehen. Die Pferde trabten allein zurück zum Stall. Wir gingen nun durch oder in ein Naturreservat zu einer Kolibrifinka. Hier gab es Gastronomie. Auch wenn die Wirtin wenig appetitlich aussah, bestellten wir etwas zu essen und zu trinken. Es gab eine Kolibrifutterstation zum Anlocken, und jedeR fotografierte die kleinen bunten Vögel verschiedener Größen, die sich an Tautropfen satt trinken konnten. Der Besuch bei dieser Finka kostet 4000 Pesos pro Person, inclusive eines Getränkes nach Wahl. Als wir genug hatten, wobei ich von der Natur nicht genug bekommen kann, gingen wir den Pfad zurück und stiegen nochmal 800 Meter bergauf zu einer weiteren Finka. Diese gehört zu der Naturschutzorganisation des ganzen Reservates. Auch dort gab es Kolibris und sehr viele Blumen, die wir auch bei uns in Deutschland kennen: Margaritten, Dahlien, fleißiges Lieschen so groß wie Büsche, Vergissmeinnicht, Stiefmütterchen, Veilchen, Geranien, Fuchsien usw.
In der Zwischenzeit hatten wir ein nettes Pärchen kennegelernt und von deren Liebesgeschichte erfahren. Sie kommt aus Deutschland, er aus Equador. Sie lebte seit etwa einem Jahr dort und machte ein Praktikum bei einer Reiseagentur. Dort hatte sie ihren Freund kennengelernt. Im folgenden Jahr wollten sie heiraten, ich war mir jedoch nicht so sicher, ob nicht vielleicht nur sie ihn. Erstmal müsse sie aber zurück nach Deutschland. Er wolle auch mal nach Deutschland reisen, tja jedenfalls unterhielten wir uns sehr lange. Was aus den beiden geworden ist, wird nicht das interessanteste sein, was ich berichten kann, denn der Kontakt hat sich trotz Austausch der emails auch hier nicht ergeben. Juan und ich waren uns dahingehend einig, dass die Liebe eher einseitig war. In Salento trennten sich unsere Wege. Wir gingen in ein (anderes!) Restaurant. Diesmal gab es etwas gemischten Salat, eine Handvoll Pommes und einen Batzen trockenen Reis. Kein Wunder, dass ein Europäer da durstig wird. Der frisch gepresste Fruchtsaft tat gut. Für ein solches Gericht zahlten wir umgerechnet 4 Euro pro Person. Für zwei Nächte in diesem Hostel für zwei Personen wird man 80.000 Pesos los, die sich lohnen. Am Mittag des zweiten Tages fuhren wir mit dem Bus zurück nach Pereira. Wir wurden von Juans Mutter herzlichst begrüßt und verpflegt. Juan war total müde und wünschte sich einen Gar-nichts- Tag, während ich weiterreisen wollte. Fortsetzung folgt....
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Blines Reisebericht - Erste Kolumbienreise Juli 2013

Beitrag von Bline »

Statt Ruhetag ging es am nächsten Tag in einen Anden- Regenwald, dieses Mal in Begleitung von Juans Schwester. Wanderschuhe und lange Hose waren empfohlen. Um sieben sollte uns das Taxi abholen. Zum Frühstück gab es einen frisch gepressten Orangensaft, einen Kaffee und e in trockenes Milchbrötchen. Das Essen in Kolumbien, so wie ich es kennengelernt habe, ist im Vergleich zu hier recht trocken. So ist es nunmal, ich will ja auch auch die Sitten, Begebenheiten und die Kultur kennenlernen.
Das Taxi brachte uns zu einer Station, bei der eine ganz besondere Art von Bussen starten. Es können hier nur gesunde Leute einsteigen, denn der Einstieg ist wirklich sehr hoch. Man muss in den Bus klettern und der Eingang ist ganz eng. Etwa 1,5 Stunden fuhren wir mit dem breiten, offenen Vehikel einen sehr engen Weg entlang, den nur diese Art von Bussen hier fahren können. Wir fuhren wirklich weitz in den Regenwald hinein. Dieser Wald ist wieder ganz anders als die anderen Wälder. Nachdem wir am Ausgangspunkt unserer Wanderung waren, gab es den obligatorischen Toilettengang, wieder ohne Klospinnen. Und dann wanderten wir los. Nach etwa drei Stunden erreichten wir eine Finka, wo wir zu Mittag aßen. Das Mittagessen ist bei den Kolumbianern offenbar wichtig. Bei mir in Deutschland fällt die Hauptmahlzeit in den Abend. Auf der Finka gab es eine Tasse Schokolade, zwei trockene Scheiben Toastbrot und ein dickes Stück gelblicher Schafskäse, der zwischen den Zähnen quietschte.
Weiter führte uns der Weg zu einem beeindruckenden Wasserfall. Dieser Urwald ist anders als der Wald im Amazonas. Sozusagen beginnen hier die Anden und das Klima wechselt auf den unterschiedlichen Höhen so wie die Vegetation. Die Wege waren teils rutschig und durch die vielen Steine schwer zu gehen. Obwohl ich viel auf meine Schritte schauen musste, sah ich einige schöne Schmetterlinge, auch riesige leuchtend blaue, Vögel und auch hübsche Spinnen. Irgendjemand bewarf uns aus den Baumkronen mit Fruchthülsen, wir konnten die Affen aber nicht ausmachen.
Es ging recht steil nach oben, und nochmal änderte sich der Wald. Die Brillenbären, Pumas, Gürteltiere und Leoparden, die in diesem Abschnitt leben, bekamen wir nicht zu Gesicht. Es roch aber ganz eindeutig nach Wildkatze. Mir ist eine Wolfsspinne auf dem Weg begegnet. Ich habe sie fotografiert und wollte sie einmal laufen sehen. Weil es nicht eindeutig zu erkennen war, wo vorn und hinten ist, berührte ich sie mit einem langen Halm. Sofort sprang sie auf mich zu. Ich gebe zu, mich sehr erschreckt zu haben. Bei Spinnen schwanke ich zwischen Angst und Neugierde. An diesem Tag sind wir sieben Stunden gewandert. Das letzte Stück mussten wir rennen, weil der letzte Bus um 17:00 fährt. Es war knapp, aber wir schafften es zum Glück. Ich kann sagen, dass dieser Wald ein Geheimtipp ist. Zuhause angekommen wurden wir wieder verpflegt, mit Salat, Reis und Kichererbsen, dazu Fruchtsaft. An diesem Abend hatte ich das Bedürfnis, mich etwas zurückzuziehen. Da man das hier nicht so zu kennen scheint, wurde ich sogleich gefragt, ob ich traurig bin. Es wird eigentlich alles zusammen gemacht. Ich ziehe mich mit dem Knüpfen von Bändern zurück.
Am folgenden Tag war großer Putztag, weshalb ich erstmal in meinem Zimmer blieb. Ich verstand kein Wort, es war nur eine gewisse Unruhe in der Wohnung, die ich nicht zuordnen konnte. Also ich mich endlich raustraute, stand das Frühstück für mich bereit: 1 Arepa mit Rührei, 1 Scheibe Toastbrot mit etwas Frischkäse und eine lauwarme Schokolade sowie frittierte Yuca. Letztere schmeckt mir wunderbar, insgesamt aber scheint es, als würde man auch hier in Kolumbien immer das Gleiche essen. Es gibt so Augenblicke, in denen wünschte ich mir ein Müsli mit Joghurt oder Brötchen mit Nutella, vielleicht auch Spaghetti oder auch mal eine ganze Kanne Kaffee für mich allein. Beim putzen habe ich dann mit angepackt. Aber: kein warmes Wasser, kein Geschirrtuch, welcher Lappen für was? Ich wollte aber auch nicht dauernd fragen. Das sind Momente, wo ich mich mangels der Sprachkenntnisse sehr verloren und fremd fühlte. Ich freute mich auf übermorgen, wo wir endlich an die Karibikküste fliegen würden. Gleichzeitig war morgen der Abschiedstag von Juans Mutter, Schwester und Cousine.
Gegen Mittag spazierten wir ohne Mama durch Pereira. Und nun wollten sie mir etwas zeigen, was es vielleicht nur hier in Pereira gibt. Wir spazierten zu einem ganz bestimmten Laden, wo nur die „Pereiraianer“ hingehen. Dabei gingen wir an einem Massenmörder – Museum vorbei, der Schattenumriss eines Mörders mit einem Messer in der Hand, der gerade auf eine Frau einstach, zog meinen Blick als Thriller – und Krimifan magisch an. Jedoch hatte das Museum leider geschlossen.
Der angesteuerte Laden bot kleine, mittlere und große Plastikbecher mit Strohhalm und Löffel an. In den Bechern waren zerstoßenes Eis, ein süßer roter Saft, drei Sorten Früchte, Sahne, eine süße honigartige Creme und Kakaopulver geschichtet. Diese Mischung heißt Choalo. Zurück nahmen wir ein Taxi, dafür machten wir am Abend Aerobico via youtube zu Latinomusik.
Der nächste Morgen begann wie immer mit einem Frühstück und ein paar Bändern. Juans Vater war da und nahm den kleinen Welpen mit zur Finka, wo sie von nun an leben würde. Sie war überglücklich bis zu dem Tag, an dem sie von einem zu schnell fahrenden Wagen vor dem Tor überfahren wurde. Aber sie hatte eine wunderbare Zeit dort.
Da Juan nochmal mit seiner Mutter unterwegs zu Behörden war, gingen seine Cousine und ich wieder in die Stadt und gönnten uns zwei weitere große Choalos, zum Abschied. Sie wich mir keinen Moment von der Seite, ich wäre auch wirklich verloren gewesen, weil ich mir die Adresse der Wohnung nicht gemerkt hatte. Wir hatten ein paar schöne Stunden mit meinen nicht vorhandenen Spanisch - und ihrem nicht vorhandenen Englischkenntnissen. Das ist das schöne: wenn man sich mag, kann man sich auch nonverbal unterhalten und eine Menge Spaß haben. Doch ich schaffte es sogar, den einen und anderen kleinen Satz zustande zu bringen.
Am Abend war noch Zeit, und mir fiel ein, dass ich noch immer kein Abschiedsgeschenk hatte. Da kam mir eine schöne Idee. Ich wollte einen Fußpflegegutschein kaufen. Gutscheine gab es bis dahin in Kolumbien nicht. Die Schwester und die Cousine, denen ich irgendwie beschreiben konnte, was ich wollte, ließen mich nicht allein gehen und hasteten hinter mir her. Und tatsächlich, mit Händen und Füßen, Pantomime und drei spanischen Worten sowie dem Übersetzungsversuch der beiden Mädchen gelang es mir, einen unterschriebenen Gutschein zu kaufen, für den Juans Mutter zu einem Termin ihrer Wahl die bezahlte Fußpflege einlösen konnte. Ruby hat sich wahnsinnig gefreut, als sie verstand, was ich ihr geschenkt hatte.
Am nächsten Morgen war es soweit, es ging in die Karibik.
Fortsetzung folgt....
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Beitrag von Bline »

KARIBIK !
Am Vormittag unseres Abreisetages besorgten wir noch ein paar Sachen für Juan. Direkt nach dem Mittagessen kam das Taxi und brachte uns zum Flughafen. So wie bei allen Billigflügen gab es einen Run zum Gate, um einen guten Platz zu ergattern. Da wir mitgerannt sind, saß ich schließlich am Fenster und freute mich.
Der Landeanflug auf Santa Marta ist spektakulär. Das Flugzeug fliegt kurz vor der Landung dirket über dem Meer und ich konnte die Landebahn gar nicht sehen. Das Klima war anders, die Atmosphäre versprühte irgendwie eine besondere Art von Lebendigkeit, vielleicht auch, weil ich mich so auf die Karibik gefreut hatte.
Mit dem Taxi ging es nach Taganga, unser Ziel. Ich wusste, hier würde ich auf Koltourwilli treffen und auch auf Walterdealemania. Das Hostel war ganz nett. Es gab sogar einen Pool und einen sehr schönen riesigen Balkon, von dem aus wir beim Frühstück aufs Meer schauen konnten. Zwar waren die Zimmer winzig, aber wir hatten ein eigenes Minibad und das war schon Luxus pur. Zur Stadt Taganga muss ich leider sagen, dass sie dreckig, staubig und ausgesprochen arm ist. Nichts deutet auf eine Berühmtheit hin oder auf das, was man sich von einer Hippistadt direkt am karibischen Meer vorstellt. Taganga ist ein Molloch von Drogen, Prostitution, Gewalt und Schutzgelderpressung. Und dennoch ein Segen, denn wir haben Willi und Walter tatsächlich gefunden.
Als wir unser überteuertes Hostel behofen hatten, schlenderten wir durch den Ort, vorbei an Armut und Slums, vorbei an durstigen Hunden und Menschen. Es war eine Dürreperiode hier. Nirgends gab es Wasser für die Tiere. Das fand ich sehr berührend und traurig. Wir fanden schließlich die Straße, in welcher sich das Koltours- Büro befinden sollte. Ich war sehr aufgeregt und ging erstmal vor. Mein Herz klopfte, erste Begegnung mit einem Bekannten aus dem Forum, von dem ich wusste, dass er sehr viel interessantes zu erzählen hatte. Von weitem schon konnte ich einen Tisch sehen, an dem ein Mann stattlicher Stature saß, mit dem Gesicht zur Straße. Und tatsächlich, da saß er, der Willi. Genauso wie ich ihn mir vorgestellt hatte und wie er auf dem Profilbild aussah. Wir haben uns beide sehr gefreut und sehr lange miteinander gesprochen. Dann kam Juan dazu. Es gibt vieles zu sagen, was ich hier nicht wiedergeben kann und darf, um nichts und niemanden zu gefährden, es hat mich sehr berührt und verunsichert, aber auch wütend gemacht, weil ich nicht helfen konnte. Willi hat uns ein paar Tipps gegeben, was wir unkonventionelles unternehmen könnten, leider konnte er nicht mit uns gehen. Das hatte ich mir eigentlich erhofft. Wir haben auch noch Walter getroffen, sind essen gegangen, haben erzählt, es war ein rundum schöner Abend. Am folgenden Tag machten wir eine kurze Bootsfahrt zu einem angeblich traumhaften richtigen Badestrand. Das hat mir leider gar nicht gefallen, es war voll wie in einer Sardinendose und ich fühlte mich von den dauernden Anbietern von Eis und Getränken, Souveniers und anderem belästigt. 5 Restaurants reihten sich wie Zelte aneinander. Es war mir viel zu voll. Der Eiswagen fuhr sogar durch das flache Wasser, um irgendjemandem Eis anzudrehen. Dauernd starteten Motorboote vom Strand aus direkt vor uns, so dass wir den Diesel riechen konnten. Leute ließen sich auf Schlauchstangen übers Wasser ziehen.
Beim Essen in einem der Restaurants haben wir uns dann das erste Mal gestritten. Es erfordert eine wirklich sehr gute Freundschaft, fast vier Wochen so eng miteinander Zeit zu verbringen, das haben wir gemeistert. Doch es gibt auch Momente der Anspannung und Müdigkeit. Man stelle sich die Anstrengung vor, so lange Zeit alles zu übersetzen, sich verantwortlich zu fühlen, etwas bieten zu wollen und keine Auszeit zu haben. Für diese aufopfernde Zeit bin ich Juan mein Leben lang dankbar. Ein Moment von Erschöpfung und Überreizung durch die vielen Eindrücke hier kam es zu dieser Auseinandersetzung mit meinem geliebten Freund. Es entstand aus dem, was uns Willi über die Wayuù- Indianer erzählte. Ich kann und mag die Kultur der auf der Guajira- Halbinsel lebenden Indianer nicht nachvollziehen, die glauben, dass das Leben die Hölle sei. Geburten werden beweint, Tode gefeiert. Willi erzählte uns von schrecklich schreienden Tieren, von Ziegen, die gefesselt in sengender Hitze auf Gepäckträgern festgeklemmt durch die Gegend gefahren werden. Ich konnte es kaum aushalten, dieses auch nur zu wissen und ich war unglaublich enttäuscht von dieser Grausamkeit. Juan fand das intollerant, das grausam zu nennen, und vielleicht hat er recht. Aber dies ist meine persönliche Grenze. Sicher, ich habe bewertet und gewertet, ich bin Mensch und kann nur ein gewisses Maß aushalten. Und bei mir war an dieser Stelle Schluss. Wir kamen aber allgemein von Pontius zu Pilatus und so schwand die Stimmung. Wir fuhren mit dem Boot wieder zurück zum kleinen Strand, vorbei an den Pelikanen und Fischerbooten. Die 5 minütige Fahrt um einen Felsen herum verbrachten wir schweigend, vertrugen uns dann aber wieder, weil wir es beide nicht aushalten konnten uns zu streiten und uns auch viel zu gern unterhalten. Wieder liefen wir durch die Straßen und kehrten schließlich in ein vegetarisches Restaurant ein.Am nächsten Tag zogen wir um nach Palomino. Wir hatten keine Lust mehr auf Taganga. Ich war schon immer fasziniert von der Möglichkeit, indigenen Völkern zu begegnen. Willi hatte uns vorgeschlagen, von Palomino aus einen Fluß aufwärts zu einem Indianerdorf zu gehen. Wir sollten uns friedlich zeigen, von ihm grüßen und warten, ob wir dort toleriert werden. Die Idee war spannend, doch auch sehr abenteuerlich. Das Hostel in Palomino war von der Lage her ein Traum. Es war unmittelbar am Strand gelegen. Hier gab es keine Zimmer, sondern eine überdachte Reihe von Hängematten mit Fliegennetzen. Ein Erlebnis, wobei ich eigentlich überall schlafen kann. Es gab auch ein für Spinnenängstliche geeignetes Sanitätshaus mit guten Duschen und Toiletten, welches man im Dunkeln mit Hilfe unserer Taschenlampen finden konnte. Überall standen Kokospalmen, ab und zu fiel eine Kokosnuss vom Baum. Es wurde empfohlen, aufzupassen und sich nicht unter die Palmen zu setzen. Die Cocktails wurden auch mit Kokosmilch gemacht, doch uns gelang es nicht, eine der Nüsse zu knacken. Es war so wunderschön dort. Sich hier mit guter Sonnenmilch einzucremen ist absolut nötig. Ich habe eine kleine Stelle am Bein vergessen, dort hatte ich nach einiger Zeit einen schmerzhaften Sonnenbrand. Über unseren Köpfen flog ein Schwarm Pelikane, ich habe es mir nicht träumen lassen, das zu erleben. Wir spazierten am Strand entlang und genossen die Sonne und das Meer, dessen Brandung unaufhörlich an den Strand rollt und in welchem wir dort leider nicht baden konnten. Die Strömung ist hier sehr gefährlich. Über den Strand gelangten wir auf einem schmalen Urwaldpfad in ein kleines Dorf und von dort an die Hauptstraße. Irgendwie ist es so ländlich, und dennoch so viel Verkehr, dass man aufpassen muss, wenn man die Straße überquert. Hier kauften wir uns Wasser. Es dämmerte und wir machten uns auf den Rückweg, zuerst zu dem kleinen Dorf, in welchem es übrigens, wenn auch sonst nichts, eine wenig Vertrauen erweckende Dentalpraxis gab, und dann auf dem Urwaldpfad in Richtung Strand. Es war plötzlich stockdunkel. Und nun weiß ich, wie laut Frösche sein können, die in den Bäumen leben. Es raschelte hier und da, wir stellten uns vor, was da alles krabbeln könnte und beeilten uns. Die Stirnlampe war nicht sonderlich hell bzw reichte nicht all zu weit. Wir kamen uns beide sehr mutig vor. Neben uns der Fluss, durch den wir am folgenden Tag gehen wollten, vielleicht mit Kaimanen..... Wir trafen tatsächlich auf den Strand und dort auf eine Gruppe kiffender Hippies, die in ihrem Leben nichts zu brauchen und tun zu müssen schienen, Gitarre und Wein gehörten dazu. Es war nicht sehr dunkel am Wasser, der Mond schien ungehindert auf den weißen Sand. Nach einem langen Gang kamen wir wieder bei unserem Hostel an. An diesem Abend fand in der Bar des Hostels eine fiesta statt. Tanz und Musik, Karaoke und Cocktails. Ich verzog mich mit einer süßĺich schmerzlichen Sehnsucht nach Ewigkeit in meine Hängematte zurück und beobachtete noch eine Zeit lang das bunte Treiben. Die Besitzerin ist Deutsche und mit einem Kolumbianer verheiratet. Ich war an diesem Abend wirklich nicht redseelig, aber ich genoss mein Dasein auf der großen weiten Welt.
Fortsetzung folgt.........
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Macondo
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Beitrag von Macondo »

Bline,
Danke für die tollen Berichte, gut geschrieben...
Wann bist Du wieder in Pereira? Bzw was steht bei der 2. Reise auf dem Programm?
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Beitrag von Bline »

:D Kommt noch. Ich bin noch nicht fertig :D
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walterdealemania
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Beitrag von walterdealemania »

Wieder sehr schön geschrieben. Herzliche Grüße aus der Nähe von Hamburg.
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Beitrag von Bline »

Danke Walter! Dann treffen wir uns mal.
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Beitrag von Bline »

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Beitrag von Bline »

Die Schamanen der Kogiindianer tragen eine kleine, gehäkelte weiße Zipfelmütze auf dem Kopf, welche zum einen die Gipfel der Berge der Sierra Nevada symbolisiert, gleichzeitig aber eine Art Weltkarte verkörpert. Die Sierra Nevada ist für sie das Herz der Welt, weil ihre Gebirgskette am höchsten in den Himmel ragt.Hier finden die spirituellen Zeremonien zum Schutz der Natur statt. Indem sie das Gebirge schützen, beschützen sie die Erde und halten das Gleichgewicht im Universum.
Auch Lorenzo hatte diese kleine weiße Strickmütze auf. Hinter ihm saß seine Frau und kämmte mit den Fingern seine Haare. Vor dem Zeit standen zwei weitere Frauen, eine davon hochschwanger, eine stillte ihr etwa einjähriges Kind, noch zwei weitere Kleinkinder befanden sich vor der Hütte. Lorenzos erwachsener Sohn stand mit dem Gesicht zu uns gewandt neben seinem Vater. Ich hatte das Gefühl ich werde erwartet, und mittlerweile glaube ich, dass ich mir gar nichts mehr einbilde. Keiner schaute mir in die Augen, bzw nur kurz, es schien auch nicht bedeutend. Das erste, was Lorenzo überhaupt sagte war „sie weiß nicht wie man betet“. Der Sohn übersetzte auf spanisch und Juan auf deutsch. Verlegen hockte ich mich vor ihn, nahm seine Hände und küsste auf ihre Handrücken. Ich empfand so viel Achtung und Ehrfurcht, Respekt und Bewunderung. Eilig kramte ich in meinem Ruckssack nach den Mitbringseln. Eine schöne große Muschel hatte ich von Willi bekommen, die ich ihm schenken sollte. Ich hatte sie im Hostel in Taganga vergessen. Verzweifelt wühlte ich weiter, aber ich hatte nichts außer meine Bänder und ein paar Perlen für meine Armbänder. Ein besonders schönes Band, das ich tatsächlich für Lorenzo geknüpft hatte, legte ich um sein Handgelenk und verknotete die Enden. Doch er nahm es wieder ab und reichte es an seine Frau weiter. Ich war verunsichert. Was wollten wir hier, wir dummen weißen, die wir alles zerstören und kaputt machen, kommen hierher auf heiligen Boden und wollen behandelt werden. Wie anmaßend zu glauben, irgendjemand hätte hier Lust dazu. Doch ich hatte mich geirrt. Für eine Behandlung sei es heute zu spät – es war ja auch schon dämmerig, das kurze Zeitfenster zwischen hell und dunkel. Am nächsten Morgen um 7:00 wollte er zum Campingplatz kommen.
Quasi im dunkeln stapften Juan und ich zurück zum Campingplatz. Ich versuchte noch am selben Abend auf einem Zettel in Worte zu fassen, was mir fehlt und was das wichtigste meiner Probleme ist. Doch nach zwei Seiten hörte ich auf zu schreiben, denn mir fiel auf, wie ich von einem zum nächsten Punkt kam und mich in Erklärungen und Rechtfertigungen verstrickte. Es war doch alles am Eigentlichen vorbei. Was war das Wesentliche, wo lag das eigentliche Problem? Was war für Lorenzo wirklich wichtig zu wissen und was nicht?
Ich entschied, es auf mich zukommen zu lassen und legte mich in meine Hängematte. Früh am Morgen, es war halb sieben, klingelte mein Handywecker. Ich stand auf und machte mich fertig, ebenso Juan. Dieser jedoch mit einer kolumbianischen Ruhe und Gelassenheit, die mir in diesem Moment abging.
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Beitrag von Bline »

Es wurde sieben, keiner kam. Das Warten bot Raum für jede Menge Zweifel und Gedanken. Ich wurde unruhig, fühlte mich enttäuscht und war schließlich traurig. Traum zerplatzt.....Wahrscheinlich war ich nicht wichtig genug für den Aufwand, oder ich wollte bloß profitieren, das alte Wissen und Könnnen konsumieren....kleine weiße Schwester...Aber während ich so vor mich hin grübelte, ob ich vielleicht noch nicht reif und klar genug für eine Bahandlung war, waren sie plötzlich da, Lorenzo, seine Frau und ihr Sohn. Ich war mit einem Mal überaus glücklich. Ich sollte mich setzen, auf eine Bank an einem Tisch unter einer Kokospalme. Der Besitzer lies auf Schildern warnen, sich direkt unter die Kokospalmen zu setzen, da die Gefahr besteht, von einer herunterfallenden Kokosnuss erschlagen zu werden... Lorenzo schien sicher, dass jetzt keine fallen würde, und so war es auch. Er setzte sich mir gegenüber. Ich blickte in seine verschwommen schwarzen, weisen Augen, die meinen Blick nur kurz erwiderten.
Die vorbereiteten Zettel hatte ich erst gar nicht mitgenommen. Ein einziger Satz sollte alles zusammenfassen. Juan übersetzte, dass meine Seele erkrankt ist und ich regelmäßig einige Medikamente nehme.
Lorenzo beauftragte uns, weißen Rum vom Kiosk zu besorgen. Es gab aber nur dunklen. Lorenzo nahm einen Schluck, behielt in einen Moment im Mund und spuckte ihn dann aus. Der beste Rum sei weißer, diesen müsse er erst vorbereiten. Sein Sohn sollte eine Flasche besorgen, er kam mit einer 0,3 l Plastikwasserflasche zurück, die er im Abfall gefunden hatte. Lorenzos Frau saß die ganze Zeit daneben und schaute in die Ferne, ohne jeden Zweifel an dem, was hier geschah.
Nun begann Lorenzo zu beten. Er murmelte mit den Lippen, füllte dann eine kleine Menge Rum in den Flaschendeckel und ging damit um mich herum. Überall strich er ein wenig davon auf mich und sagte „Sie hat viele Probleme mit ihrem Mann“. Juan sollte übersetzen, dass ich meinen Mann liebe. Lorenzo erwiderte „Matremonio, matremonio“, was soviel hieße wie „alles wird gut“. Juan sollte die Flasche halten und Lorenzo goss diese halbvoll mit Rum. Nun holte er aus seinem Beutel getrocknete Pflanzen und irgendein Blatt und hat irgendetwas dort hineingebetet. Dann deutete er mit den Pflanzen Berührungen an mir an. Die Pflanze habe etwas mit mir gemacht, übersetzte Juan. Lorenzo fragte, wie alt ich sei und wieviele Kinder ich habe. Drei, sagte Juan. „Drei?“ fragte Lorenzo zurück. Nein, es waren vier, denn eines ist gestorben.
Nun holte er aus seiner Tasche eine sehr kleine Feder und steckte sie in die Flasche. Sie stammt von einem heiligen Vogel namens Bajaro Macua. Er wiederholte mehrmals, dass diese Feder sehr wichtig sei, das wichtigste Element, und ich dürfe diese Feder niemals wegwerfen. Der Inhalt der Flasche bedeute Schutz für mich.
Lorenzo verordnete mir, mich 2x täglich, jeweils um fünf Uhr überall mit dem präparierten Rum zu benetzen. Lorenzo zeigte mir, wie ich das machen soll. Die Flasche könne ich immer wieder mit Rum auffüllen. Auch das kleine Mädchen könne ich damit abstreichen. Das kleine Mädchen – meine jüngste Tochter – woher wusste er.....ich hatte kein Wort davon gesagt....
Aus seiner Tasche nahm er ein weißes Band mit vier roten Perlen und verknotete es um mein Handelenk. Irgendetwas flüsterte er in den Knoten und sagte dann das Band sei heilig und ich solle es immer tragen bzw weiterhin bei mir tragen, wenn der Knoten sich mal lösen sollte. Ich solle es tragen, bis ich wiederkomme, zu ihm oder einem anderen Schamanen. Auch Juan bekam ein Schutzband. Nun entfernte er das Etikett und schwenkte die Flasche ein wenig. Immer wieder nahm er zwischendurch einen Schluck aus der Rumflasche und spuckte ihn einen Augenblick später wieder aus. Juan sollte die Frage, für die vor kurzem noch kein Platz war, noch einmal stellen. „Woher kommt meine Erkrankung?“. Er hielt mir die Flasche an mein Herz und wedelte etwas daraus in die Flasche. Wieder las er aus dem Inhalt. „Es hat mit Mutter und Vater zu tun, mit Problemen mit der Menschlichkeit, mit Glück, mit dem Mann, Mann, Mann...“
Die Indianer haben eine ganz eigene Sprachmelodie. „Herz, Herz, Herz“ sagte er.
Ich sagte Lorenzo auf spanisch und pantomimisch, dass ich meinen Mann liebe und er sagte „, Ja. Ja. Ja. Du kannst wiederkommen und deinen Mann nochmal heiraten, nächstes Jahr“.
Lorenzo gab mir die Flasche und die Hände und legte seine alten Hände um meine. Ich fühlte so viel Energie, die durch die Hände in mich floss. Er könne die Hochzeit vollziehen, aber auch jeder andere Schamane.
Dann meinte er er sei nun fertig.
Er fragte mich, woher ich das andere Band habe. Juan antwortete, dass ich es in La Guajira bekommen habe.
„Von Indianern?“. Nein... Egal, das sei heiliges Land. Ob ich es geschenkt bekommen oder gekauft habe. „Geschenkt“. Noch besser. Er hat es aufgeknotet, die Enden bebetet und es dann wieder zugeknotet.
„Alles wird gut, deine Probleme werden sich lösen, besonders die mit deinem Mann“.
Ich könne ihm nun Geld geben, soviel wie ich meine. Er brauche aber nicht viel.
Wir gaben ihm alles, was wir hatten, mit Ausnahme der Busfahrtkosten, denn wir mussten ja noch nach Santa Marta zurück.
Ich schenkte Lorenzo meine grüne Aventurinkette, die er freudig in seinen Beutel gleiten lies, nachdem er sie besprochen und an sein Herz gehalten hatte. Nun hatte er etwas von mir, was eine Verbindung darstellen konnte. Dann sagte er noch, ich solle nächstes Jahr wiederkommen und er wird bis dahin auf mich aufpassen. Alles wird gut. Er würde über Juan mit mir im Kontakt bleiben und spüren, wenn es mir nicht gut geht. So weit weg....es sei wirklich sehr weit weg....
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Beitrag von Bline »

Lorenzo, seine Frau und sein Sohn genehmigten sich eine eiskalte Coca Cola am Kiosk.
So plötzlich die Indianer aufgetaucht waren, so plötzlich waren sie auch wieder verschwunden.
Ich war ganz ruhig. Beruhigt.
Alles hatte seinen Sinn. Meine große Sehnsucht nach Südamerika,die ich schon lange verspürte, die Tatsache, dass ich Juan kennengelernt hatte, das Kolumbienforum, welches ich entdeckte, schließlich die aufregende Reise, und am Ende die Bekanntschaft mit und die Behandlung durch Lorenzo ergaben nun einen Zusammenhang und einen Sinn.
Ich war zu dieser Zeit von meinem Mann getrennt. Es ging ihm nicht gut, und er sah als einzige Möglichkeit, seinem unerträglich depressiven Zustand zu entkommen, den Radikalstrich und die komplette Veränderung seiner Lebenssituation, sprich die Trennung samt Auszug. Die Liebe jedoch war immer da und lies sich von nichts und niemandem verdrängen.
Ich fragte ihn unmittelbar nach der Behandlung per whatsapp, ob er mich nächstes Jahr in Kolumbien nochmal heiraten würde. Ich bekam sofort das Ja.

Wir hatten überhaupt kein Geld mehr und einen unstillbaren Durst. Außerdem wollte Juan unbedingt noch baden gehen. Der Strandabschnitt La Piscina war zu der Zeit dünn besiedelt. Hier wird die Strömung weit draußen von einer natürlich entstandenen Steinkette aus großen Felsen abgefangen und man kann gefahrlos ins Wasser. Wir plantschten im karibischen Meer und genossen das Leben.
Doch im Lauf des Vormittags füllte sich der Strand zunehmend mit Wochenendausflüglern. Wir nahmen unsere Sachen und liefen zurück zum Campingplatz. Wir nahmen unsere kleinen Rucksäcke, die wir dort zur Aufbewahrung hatten einschließen lassen und machten uns auf den Weg zurück zum Ausgang. Nach zwei Stunden waren wir aus dem Park heraus. Auf dem Weg haben wir sogar Affen und Riesenmeerschweinchen gesehen, Krebse, Leguane und Eidechsen und bunten Farben. Wir hatten außer einer Tasse kalte Schokolade am Morgen noch nichts getrunken. Mutig probierten wir ein paar gut aussehende Beeren von einem Baum, die uns sogar schmeckten und scheinbar essbar waren.
Völlig erschöpft kamen wir in Taganga an und checkten diesmal im Hatel Bavaria ein. Wir gingen in die Stadt, um Geld abzuheben, liefen dann zum Hotel zurück, bezahlten die Übernachtung im Voraus, holten unsere im Hostel abgestellten großen Rucksäcke, die wir dort stehenlassen durften, während wir im Tayronapark waren, gingen zurück zum Hotel, um zu duschen und uns umzuziehen und wollten dann zu Willi, um ihm alles bei einem leckeren Essen zu erzählen. Dieser hatte jedoch enoch keine Zeit. Um die Wartezeit zu überbrücken, tranken wir jeder zwei große, eiskalt Jugos für umgerechnet 2 Euro pro Glas. Diese waren auf jedenfall nötig, um nicht zu verdursten. Dann holten wir Willi ab und setzten uns in eine Pizzeria mitten in der Stadt, wo gerade an diesem Abend eine Fiesta stattfand. Es ging irgendwie um die heilige Maria, Mutter Gottes, die als Figur aus der Kirche bei Kerzen, Gesängen und Spektakel in einem geschmückten Boot aufs Meer gezogen wurde. Ein Weilchen bummelten wir noch auf der Promenade hin und her und schauten den Fischern zu, die an den Netzen flickten.
Am nächsten Morgen ging es zum Flughafen Santa Marta und zurück nach Bogota'. Im Bus, auf dem Weg vom Flughafen zu Juans Wohnung entstand plötzlich ein heftiger Streit zwischen uns. Ich sagte, dass ich mich so nach dem Regenwald sehnte und dies hier gar nicht das sei, was ich mit Kolumbien verbinde. Juan verstand, dass ich von Kolumbien wie von einem Entwicklungsland sprach und war gerade als angehender Politikwissenschaftler entsprechend aufgebracht. Es war ja gar nicht so gemeint. Aber für eine laute, verkehrsstarke Großstadt, in der wir uns befanden, weil Juan hier studierte und lebte, war ich doch nicht nach Kolumbien gereist.........
Es war der letzte Abend vor meiner Rückreise.
Ich hatte meine Flasche in meinen großen Rucksack gesteckt, da man Flüssigkeiten nicht mit ins Handgepäck nehmen darf.
Ich legte mich in dieser Nacht in Juans Hängematte und weinte mich in den Schlaf.
Ich wollte nach Hause, aber ich wollte auch nicht weg. Und ich wollte mich nicht streiten. Schon gar nicht mit Juan. Und sowieso nicht jetzt.
Am Morgen wachte ich auf. Es war 4:45. Ich war immernoch so traurig und hatte eine große Sehnsucht nach dem Wald. Ich musste wieder weinen. Der Lärm, der Krach, die Autos, die lauten Rufe der Leute, die versuchten sich mit dem Verkauf ihrer drei Melonen auf einem Wägelchen das Mittagessen zu verdienen, alles machte mich so wehmütig.
Doch plötzlich hörte ich über allen Lärm die Vögel. Sie übertönten alles mit ihrem Gesang, und eine Stimme sagte „hol die Flasche aus dem Rucksack und mach das Ritual“. Das tat ich auch.
Wir vertrugen uns an diesem Morgen wieder. Alles war gut. Juan, der sicher auch foh war, sein Leben wieder für sich zu haben, brachte mich zum Flughafen.
Ich machte mich auf die lange Rückreise.
Fortsetzung folgt......
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Bline
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Blines Reisebericht - Erste Kolumbienreise Juli 2013

Beitrag von Bline »

Wie ging es weiter?
Über drei Jahre habe ich das Ritual beibehalten. Ich fühlte mich und war auch beschützt. Es ging mir gut.
Es entstand ein Gebet.
Meine Seele möge beschützt sein.
Mein Blick möge auf das Wesentliche gerichtet sein.
Meine Schultern mögen alle Last tragen, die ihnen auferlegt wird,
Meine Arme mögen halten, was ihnen zum Halten gegeben wird,
und meine Hände mögen gutes tun.
Meine Beine mögen mich tragen auf allen Wegen,
und meine Füße mögen die richtigen Schritte tun.
Ich habe gelernt zu beten.

Mein Mann ist mittlerweile wieder eingezogen, wenige Zeit nach meiner Rückkehr. Er war bei einer Psychiaterin und wird gegen seine Depressionen behandelt. Es geht ihm gut. Er ist wie verändert. Er behandelt seit vielen Jahren Menschen und Tiere schamanisch und räuchert Wohnungen aus.
Wir sind glücklich.
DIeses Jahr, am 03.10. fliege ich wieder nach Kolumbien, dieses Mal mit meinem Mann. Wir treffen uns mit Juan und reisen bis zum !7.10. zusammen in Kolumbien. Den 04.10. verbringen wir allein in Bogotá, dann fliegen wir nach Valle du par. Von dort aus fahren wir mit dem Bus nach Lamina. Dort werden wir von den Kogiindianern abgeholt und wandern dann in die Sierra Nevada in einen Ort, in welchem die Indianerhochzeiten stattfinden. Dies ist etwas ganz besonderes, vielleicht auch einmalig. Juan hat das ermöglicht. Mit Hilfe einer Bekannten, die sich für die Indianer einsetzt und dort Freundschaften geschlossen hat, wird es für uns möglich, dort von den stärksten und mächtigsten, großen Schamanen uns trauen und damit unsere Seelenverbundenheit festigen, in den Bergen, im heiligen Gebiet. Drei Tage wohnen wir bei den Indianern. Ich bin so gespannt. Die Indianer werden unsere Hochzeit ausrichten. Das ist neben unseren Kindern das Wichtigste, was ich mir für mein Leben vorstellen kann. Wenn unsere Hochzeit vollzogen ist, gehen wir nochmal in den Tayronapark. Vielleicht finden wir Lorenzo. Dann fliegen wir über Bogota' zum Amazonas und verbringen dort noch fünf Tage, Die Indianer und die Naturreservate sind das, was uns am meisten interressiert, aber auch die Indianerkultur und der Synkretismus intressiert meinen Mann am meisten, der jedoch enorme Flugangst hat. Er ist so mutig.
Und ich bin glücklich.
Nun bin am Ende meines Reiseberichts angekommen. Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr könnt damit etwas anfangen. Das kleine Mädchen, mittlerweile 17,5 Jahre alt, kann leider nicht mit. Die beiden großen sind Studenten und passen auf Hund, Katze, Maus und Haus auf.
Unendlicher Dank an Juan, der dies alles ermöglicht hat und der für immer mein bester Freund sein wird.
Vielen Dank an meinen Mann, der sich trotz seiner Ängste auf das vielleicht alles verändernde Abenteuer einlässt.
Vielen Dank an meine Kinder, die ihre durchgeknallten Eltern ertragen haben (mussten sie ja) und danke euch fürs Lesen (musstet ihr ja nicht ;) )
Eure Bline
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