4.5 Jahre sind seit dem erstem post vergangen, der neue Präsident seit 1.5 Jahren im Amt. Zeit für Gustavo Petro ein erstes Zwischenzeugnis zu erstellen, vor allem aber: Wohin steuert Kolumbien aus heutiger Sicht in 2024 und den kommenden Jahren ?
Zunächst die
Ökonomie mit ein paar Finanzindikatoren über die letzten 5-10 Jahre betrachtet die nachdenklich machen. Im Vergleich der vier grössten Ökonomien Lateinamerikas, Brasilien (B), Argentinien (A), Kolumbien (K), Chile (C) bewegen sich B und A im Gleichklang. Chronisches Haushaltsdefizit (im Schnitt 5% des BIP oder mehr), relativ hohe Schuldenquote (85% des BIP oder mehr), ein für emerging markets zu geringes Wachstum, aber beide immerhin mit positiver Aussenhandelsbilanz ! Vergleichsweise am besten steht C da. Haushalt im Griff, sehr geringe Schuldenquote (35% des BIP), in 2022 sogar ein Einnahmenüberschuss, ausgeglichene Handelsbilanz, nur leider auch hier chronisch niedriges Wachstum.
Kolumbiens Staatsschulden sind seit 10 Jahren leider stetig angestiegen, von 34% in 2012 bis zum Maximum 66% in 2020. Immerhin letzteres hat Duque noch versucht zurückzuführen um nicht irgendwann auf dem level von Argentinien zu landen. Leider mit völlig untauglichen Mitteln. Die Massenproteste sind noch in guter Erinnerung. Leider ist das Haushaltsdefizit (Staatsschulden) für 2022 mit -6.7% des BIP, und heuer 2023 werden ca. -4% erwartet, weiterhin zu hoch. Besorgniserregend für Kolumbien zudem das zuletzt hohe Handelsbilanzdefizit, anders als alle vorgenannten A,B,C die hier besser dastehen und das inzwischen erwartete, sehr niedrige Wachstum. Manche sehen sogar eine Rezession. Schaut nicht überzeugend aus.
Nun muss man Petro zugestehen hier viel vom Vorgänger geerbt zu haben.Wirksame Massnahmen erfordern viele Jahre Geduld (welche Kolumbianer nicht haben). Entscheidend nun: Sind erste Anzeichen zu erkennen für mehr Wachstum, eine positive Aussenhandelsbilanz und/oder ein geringeres Haushaltsdefizit um die Schuldenquote zurückzuführen ? Ich sehe bislang leider nicht dass sein Programm zumindest ansatzweise funktioniert.
Innenpolitisch kann ich seine "paz total" Agenda weniger beurteilen, meine aber Rückschritte bei der inneren Sicherheit zu erkennen. Das ganze kommt mir auch irgendwie naiv vor. Die Guerilleros ERN, FARC haben sich von ihm verabschiedet. Die alltägliche Kriminalität und Entführungen in der Zunahme begriffen, die Kokainproduktion einen neuen Höchststand erreicht. Auch nicht sehr überzeugend. Auf das "repräsentative" Meinungsbild meiner Verwandtschaft in Kolumbien, die alle estratos, Ausbildungen und Hintergründe abdeckt gebe ich nicht viel. Wie gesagt, die richtigen Massnahmen erfordern Jahre oder eher ein Jahrzehnt. Man erwartet wundersame Dinge in kürzester Zeit. Dennoch interessant, dass von gefühlt 30 Personen im "Mikrozensus" bereits nur noch eine einzige Stimme übrig geblieben ist die Petro noch die Stange hält. Alle anderen sind mehr oder weniger tief enttäuscht.
Aussenpolitik. Hier werde ich vielleicht unfair. Aber was sollen seine überflüssigen Kommentare zum Nahostkonflikt ?? Er hat doch genug eigene Themen und Herausforderungen in Kolumbien und Lateinamerika mit seinen Nachbarn. Seine Äusserungen und Nazivergleiche ggü Israel oder "Hamas sei eine Erfindung", etc, sind einfach nur peinlich, unangebracht und falsche Prioritäten. Sowas lässt mich an an seiner Tauglichkeit als Realpolitiker zweifeln.
Fazit am Ende des Jahres 2023: Es wird schwer werden für Kolumbien in den kommenden Jahren. Meine Zuversicht in die Agenda des neuen Präsidenten gesunken. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Gerade eben auch noch dieses gefunden -> Kapitalflucht hat weiter zugenommen, betrifft aber ganz Lateinamerika.
viewtopic.php?p=97260
Was kann der einzelne tun ? Nun, für Weihnachten zumindest eine kleine Spende an das Forum
Ich freue mich sehr, dass es Euch gibt. Ja, und mein Herz schlägt natürlich weiter für Kolumbien
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Herzliche Grüsse
coentros