Das nächste Ziel war das wunderschöne alte Dorf Puerto Narinjo, benannt nach einem berühmten ehemaligen Politikers oder so, auf dem Weg in Richtung Leticia gelegen. In diesem Dorf gibt es weder Autos noch andere motorisierte Fahrzeuge und eine unglaubliche Vielfalt an Blumen und Farben. Bäume, Gärten, entzückende Häuschen bilden eine zauberhafte Atmosphäre und laden zum Verweilen und bummeln ein, auch wenn es keine Shoppingmeile gibt. Menschen badeten zwischen den Fischerbooten und Piranhas, ein Stück weiter wurde in einem Boot von einem Kind Wäsche gewaschen, ein anderes Kind putzte Schuhe und eine Frau wusch ab. Sie lachten, als ich es wagte ein Foto zu machen. Ich kam mir hinterweltlich damit vor, das so dokumentationswürdig zu finden. Man könnte denken ich wasche meine Wäsche nicht und habe nur Einmalgeschirr… Unser „Führer“ hatte es eilig, weil er hier mit seiner kleinen Freundin verabredet war. Sie ist etwa 16 und damit unverhältnismäßig jung im Vergleich zu ihm. Aber sie freuten sich beide. Er, weil er Beute jagt, sie, weil sie die Beute ist. Das passt. Diesmal durften wir so lange rumbummeln wie wir wollten. Ich freute mich über die vielen bunten Häuser und die liebevoll angelegten Wege. Ich sah auch kaum Müll. In einer Nebenstraße entdeckte ich endlich einen Stand, bei dem ich einkaufen wollte. Eine sehr alte Indianerin verkaufte selbstgemachten Schmuck, den sie aus Fruchtkernen herstellt. Die Sachen sind wunderschön, ich kaufte zwei Ketten und ein Armband, ein weiteres Armband schenkte sie mir. Meine Kette hat rote und schwarze Kerne und als Anhänger ein großes flaches Schneckenhaus. Mich begleiten Spiralen in meinem Leben, Symbol der Unendlichkeit. Neben ihr stand ihre kleine Enkelin. Ich hatte das sichere Gefühl, hier richtig zu sein.
Gegenüber lag ein „teures“ bzw. gutes Restaurant. Dort sollten wir rein. Wir mussten nichts bezahlen, all inklusive. Ein Gefühl von Dekadenz beschlich uns. Wir hatten die VIP oder besser wir WAREN die VIP
Es gab vom Buffet, köstliche Dinge wie frittierte Platanos und Yucca, Salat, Reis, Gemüse und einen kleinen Nachtisch. Und wie immer frisch gepresste Natursäfte.
Die Kleine durfte auch mit essen. Man hat ja in dem Alter wenig Geld- Da ist man schon froh, den Freund in ein Restaurant begleiten zu dürfen, der das noch auf Kosten der Reiseagentur mit abrechnen kann. Verstehe ich.
Während des Bezirzens, Flirten und Umwerbens kamen wir uns beinahe störend vor, aber es schmeckte uns hervorragend. Wie immer, wenn ich mich irgendwie erden will, knotete ich eines meiner Armbänder und die Kleine kam auf meine Seite, um mir zuzuschauen. Derweil versuchte Juan ein paar Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen. Juan, der es stets schaffte Kontakt und oftmals eine Beziehung herzustellen, wurde mit „Schaman“ nicht warm. Und ich glaube das lag nicht an ihm. Dass der Guide den Spitznamen Schaman hatte, lies mich aufhorchen. Juan erzählte mir, er habe das zwischenzeitlich immer mal gehört, wenn Bekannte ihn ansprachen, und man ist als Reiseleiter in diesem Gebiet mit den sich wiederholenden Anlaufpunkten natürlich hier und da bekannt.
Warum lies mich „Schaman“ aufhorchen? Weil ich schon seit vielen Jahren einen ganz starken Zug nach Südamerika hatte und habe und schon sehr lange einen Schamanen von dort treffen wollte. Für mich gibt es überhaupt keine Zweifel an deren Fähigkeiten, sofern es sich um „echte“ Schamanen handelt. Ich glaube an das alte Heilwesen, die Ganzheitlichkeit, die Natur und die Achtsamkeit. Ich glaube auch, Schamane ist man oder man ist es nicht. Und wenn man es ist oder dazu berufen ist, kann man seine Kanäle dafür öffnen und lernen, was die Ahnen weitergegeben haben. Aufgrund von persönlichen Beeinträchtigungen war eine schamanische Behandlung ein starker Wunsch von mir. Doch „Schaman“ war es nicht. Schaman meinte, nachdem ihm klar wurde, dass ich ganz heiß darauf war, behandelt zu werden, recht kommerziell und antwortete auf die Frage, was das denn kosten würde, das könne je nach Krankheit mitunter sehr teuer werden….außerdem müsse man eine Nacht in einer Finca oben im Regenwald übernachten und dort um 3 Uhr nachts behandelt werden. Nach dem Übernachtungspreis in der Finca hab ich dann gar nicht erst gefragt. Die Pesozeichen blitzten in seinen Augen, und während ich anfänglich noch Hoffnungen hatte, winkte Juan ab. Und auch ich wurde mit meinen weit offenen Äuglein misstrauisch, auch wenn ich ihm gern geglaubt hätte. Ein Schamane, der an Profit und Konsum denkt, an Gewinn und Abzocke, taugt nichts. Hier war ich völlig falsch.
Der Rest der Zeit blieb wieder uns beiden allein zur Verfügung, weil er mit seiner Maus ein wenig allein sein wollte. Nun ja, man versteht die Jugend…..wir bummelten hier und da und genossen die Ruhe und Lebendigkeit zugleich, die schönen Farben der Blumen und die Zeit, die wir hatten, die Wärme, die Sonne, den blauen Himmel, das Leben. Hier habe ich einen kleinen Film gedreht, durch das Fenster eines Kindergartens. Die Kinder haben mit der Erzieherin Fangen gespielt. Plötzlich kamen drei zum Fenster gelaufen und schauten lachend und mit großen Augen in den Fotoapparat. Das war sehr schön und fröhlich. Wir haben noch eine kleine Weile gebraucht, bis wir wieder am Boot angekommen waren, Schaman musste sich hier nun auch erstmal verabschieden, sie sollte nämlich da bleiben. Die Beute im Auge stieg auch er ins Boot und wir machten uns auf zu unserem nächsten Highlight. Wir wollten die rosa Flussdelphine finden. Schaman war nach Minuten fest eingeschlafen. Sein Regencape, welches er sich übergezogen hatte, weil es zu regnen begonnen hatte, flatterte uns lauthals um die Ohren. Juan versuchte das Plastik mit dem Knie am Sitz festzuklemmen. Im weiteren Verlauf riss es zu unserem Vergnügen vollkommen ein, was er unter diesen Umständen nicht mitbekam. Unserm netten erfahrenen Bootsfahrer, der sich wirklich alle Mühe gab, gelang es, die Delphine zu finden. Plötzlich waren sie da, diese phantastischen Tiere. Sie sind wirklich rosa! Es gibt aber auch graue. Und es gibt eine Sage:
Für die Indianer sind Frauen sehr wichtig und werden sehr geachtet. Der Gott des Amazonas hat schlechte oder falsche Heiler als Strafe in rosa Delphine verwandelt, rosa wegen der Hautfarbe. Einmal im Jahr werden diese aber zu Menschen und gehen an Land, um sich die Frauen ins Wasser zu holen und sie zu töten. Die grauen Delphine sind gut zu den Menschen, weil sie diese warnen, ehe die rosa Delphine sich verwandeln.
Weil das Boot plötzlich stoppte, wachte Schaman abrupt auf und tat so, als hätte er die Delphine gefunden. Wir dankten dem Bootsfahrer! Es war allerdings fast unmöglich, Fotos oder Filme zu machen, weil die Delphine so schnell verschwinden wie sie auftauchen. Sie waren sogar dicht am Boot und schienen uns zu beobachten. Das war sehr schön!
Eine halbe Stunde später waren wir in Leticia und wurden zum Hotel gebracht. Die halbe Stunde nutzte man zum schlafen…egal, wir waren zufrieden. Das Hotel hatte für uns einen Hauch Luxus, einen Swimmingpool und im Zimmer einen großen Ventilator sowie einen Fernseher. Fernsehen hatte ich bisher aber nicht vermisst, im Gegenteil tat es mir gut, das mal eine Weile nicht zu haben, wo ich doch zu Hause gern fernsehe. Abendbrot, bisschen chillen und dann noch mal raus, in normalen Anziehsachen statt Urwaldlook. Das tat bei der feuchten Wärme und dem leichten Wind richtig gut!
Fortsetzung folgt