Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

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gordito54
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

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Guten Morgen liebe Leser und Mitforisten!

Meine Frau ist in der Kirche, die erste Ladung Wäsche ist in der Waschmaschine, also habe ich etwas Zeit. Da der Alltag auch bei uns Einzug hielt, gibt es nicht so häufig Neues zu berichten wie in der Vergangenheit.

DER GROSSE REGEN

Am letzten Freitag nachmittags um 4:30 p.m. verdunkelte sich der Himmel über Cartago. Wir waren gerade bei einer Schwester meiner Frau zu Besuch, als der große Regen einsetzte. Erst einige Tropfen, dann fiel immer mehr, bis es sintflutartige Maße annahm.

Die kleine Straße vor ihrem Haus, es liegt am Hang, wurde zum Kanale Grande. Da das Regenwasser auch Erde wegspült, wird das Wasser durch das Sediment hellbraun. Gut eine halbe Stunde hielt der Starkregen an. Uns ist dort nichts passiert.

Wir erhielten noch am gleichen Tag ein Video von der 4. Straße. Da liegt unser Hühnerrestaurant. Es sah dort aus wie in Venedig, allerdings ohne Gondeln. Die Fahrzeuge fuhren langsam durch das Wasser, eine hellbraune Brühe. In einer anderen Straße war ein Haus (“se arriende” stand draußen dran) zu Hälfte überflutet zu sehen. Nun könnte man eine solche Überflutung auf “Dritte-Welt-Kanalisation” schieben. Solche schlagartig anfallenden Wassermassen fasst auch keine Kanalisation in Europa, die Alt-Anlagen in den Großstädten eh nicht, da sie selten in gutem Zustand sind.

Eine Schwester meiner Frau lebt in einem tiefliegenden Reihenhaus. Sie hat sich am Eingang eine hohe Stufe gegen Überflutung einbauen lassen. Der Grund dafür ist das Regenwasser-Rohr, das den höherliegenden Teil “Las Colinas” entwässert. Es liegt in etwas 1 Meter Höhe und 5 m von ihrem Grundstück entfernt. Damit die Betonrohre bei Starkregen durch den Wasserdruck nicht platzen, haben sie oben Entlastungs-öffnungen. Regnet es stark, kommt also das Wasser dort heraus und gelangt in die Vorgärten der untenliegenden Anwohner.

Wer sein Haus also nicht per Stufe zumauert, kriegt nasse Füße. Gestern standen dort reihenweise die Schuhe und Kleinmöbel in der Sonne vor den Häusern zum Trocknen. Das ist ja nicht das erste Mal.

Ich wette, daß in der nächsten Woche niemand eine Wassersperre einbaut. Solche Ereignisse werden offenbar als Naturkatastrophe hingenommen, gegen die man machtlos ist. Da es gegen Naturkatastrophen wie Erdbeben kein Mittel gibt, kann man folglich auch keine Maßnahmen ergreifen. Für mich ist das eine Frage der Mentalität und Kultur.

Die Schwester meine Frau würde ihr Haus gerne für nur 80 Mio. COP verkaufen. Es kommt für uns unter diesen Umständen allerdings nicht in Frage.

Gegen 7:30 p.m. fuhren wir nach Hause. Alle Nachbarn schrubbten ihre Bürgersteige. OHA!!
Obwohl unser Hauseingang ca. 10 cm über der Straße liegt, ist etwas Regenwasser in den Hauseingang gelaufen. Meine Frau hat sich sofort ihre Arbeitsklamotten angezogen und dann ging sie erstmal der alten Dame im Nachbarhaus helfen. Dort war das Regenwasser durch das ganze Erdgeschoß gelaufen. Bei uns gab es lediglich eine bessere Pfütze am Eingang, die keinen Schaden hinterliess.
Am nächsten Morgen rief einer der deutschen Freunde aus Pereira an, der derzeit in Deutschland ist. Ob bei uns alles in Ordnung sei, denn er habe erfahren, daß Cartago “abgesoffen” sei. Die Welt ist klein geworden und ich freue mich darüber und über seinen Anruf.
Aus der ganzen Sache kann man für den Kauf des eigenen Hauses viel lernen.

Gestern sind wir über die 4. Straße gefahren. Da das Wasser abgetrocknet war, liegt jetzt das Sediment auf der Straße. Eine Staubpiste. Nordafrika lässt grüßen, aber nur bis heute Nachmittag. Es sind wieder 28 L/m² Regen vorhergesagt. Meine Frau meinte, der Mai sei hier der regenreichste Monat. Na dann…

Wie ich nun hörte, sind offenbar einige Häuser in Cartago überflutet worden. Also Totalschaden für alles im Erdgeschoß. Ob sie versichert sind? Die Antwort ahne ich mit einer Trefferquote von 99%…..

“ALLES NUR GEKLAUT?”

In der Nacht zu Samstag wurden zwei Schwestern meine Frau in ihren Häusern von Gasgeruch geweckt. Die Straße war voller Blaulicht der Einsatz-Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Gasversorger.
Aus einem noch im Bau befindlichen Haus hatte man den Gaszähler geklaut. Natürlich unter Druck stehend, sonst macht es scheinbar keinen Spaß. Was fängt der Idiot mit einem Gaszähler an, der eine Seriennummer hat? Einbauen kannst du den nirgendwo, wo der Zählerstand abgelesen wird…..

OSTERN

In der Karwoche war der Mittwoch der Tag der Drückerkolonnen. Im 5-Minutentakt standen die üblichen Verdächtigen am vergitterten Fenster. Unsere Wohnung werden wir daher in einem conjunto cerrado mieten.

Gründonnerstag, 20 Uhr. Meine Frau bringt ihre älteste Schwester aus Pereira und ihren Lebensgefährten mit nach Hause. Sie werden bei uns übernachten. Welche Freude!

Karfreitag (die Müllabfuhr kam am Vormittag etwas später, aber sie kam) gab es abends in der Nachbarschaft offenbar eine Familienfeier mit der hier üblichen Stadionbeschallung. Allerdings war um Mitternacht Ruhe. Danke, danke, danke!

Ansonsten war Ostern himmlisch ruhig für uns. Ostermontag ist hierzulande KEIN Feiertag, also wieder “Normalbetrieb.”

GELBFIEBERIMPFUNG

Wie hier im Forum zu lesen war, wird diese Impfung dringend empfohlen. Seit der Corona-Geschichte wollte ich mich eigentlich gegen nichts mehr impfen lassen. Da diese von Mücken übertragene Krankheit aber eine Mortalität (Sterberate) von 50 % aufweist, informiert man sich ja weiter. Was ist da los?

Dagegen war Corona ein Grippchen, wie sich herausstellte. Wenn die Hälfte aller Erkrankten auf dem Friedhof landet, überdenkt man seine Entscheidung also nochmal. Daher sind wir zu unserer Krankenkassen-Klinik gefahren, um uns impfen zu lassen. Geimpft wird nur samstags von 8-12 Uhr, aber nicht für uns. Wir sind zu alt.

Ich habe also bei der Sti-Ko (kann man googeln) in Deutschland nachgelesen. Das Risiko der Nebenwirkungen bei Personen über 59 Jahren ist so hoch, daß man nicht mehr impft. (Da wird sich die Rentenkasse aber freuen.)

Gleichzeitig las ich einen Artikel über einen Test der gleichnamigen Stiftung. Der Testsieger hilft auch über 7 Stunden gegen die Gelbfiebermücke. Das Problem: du kommst hier nicht an das Zeug ran, auch nicht über den Versandhändler aus den USA. Mist.

TANZ IN DEM MAI

Am 30. April hatte ich meinen monatlichen Termin bei der Podologin. Das ist so ziemlich der einzige Luxus, den ich mir gönne. Als ich zahlte und den nächsten Termin notierte, wünschte ich ihr viel Spaß beim Tanz in den Mai. Daß hier kein Maibaum aufgestellt wird, war mir klar, aber Tanz in den Mai, das sollte doch gehen, gerade in Südamerika!? Sie sah mich verständnislos an und ich erklärte ihr "costumbre alemana".

WURSTSALAT

Nachdem ich Dank der Ausflüge nach Pereira zum Gurkenkönig unserer Straße geworden bin, hat mich ein deutscher Freund aus DosQuebradas auf ein Rezept gebraucht: bayrischer Wurstsalat. Dazu nehme ich “Bierschinken”, den man im ARA auch als Wurst kaufen kann. Das Gurkenwasser heben wir immer auf für Kartoffelsalat oder Wurstsalat. Damit und Zwiebeln, eingelegten Gurken und den gehörigen Gewürzen kriegt man das prima hin. Meiner Frau und mir schmeckt es, für die Familie ist das eher nichts, weil zu “pikante”.

Unsere nächsten Kochprojekte zu Hause werden: Erbsensuppe / Linsensuppe mit Geräuchertem und Chili mit viel Carne Ahumado.

Es ist halb zwölf, ich muß Wasser aufsetzen. Heute gibt es italienische Spaghetti, Kaliber drei, dazu selbstgemachte Bolognese und frischen gemischten Salat mit etwas Essig und viel Olivenöl angemacht. Vorher: Gazpacho (das ist eine kalte andalusische Gemüsesuppe, eine Vitaminbombe)

Die zweite Maschine Wäsche ist fertig: Bettwäsche. Die muß man hier in den Tropen dreimal die Woche wechseln. Ich hänge sie schnell im Treppenaufgang auf, heute Nachmittag ist die trocken.

Herzliche Grüße an Alle nah und fern

gordito54

Max
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Max »

Wie immer gut hab schon gedacht zu fragen was mit dir los ist weil du postest a bisserl verspätet, jejejejejjejejejejeje.
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Holger78
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Holger78 »

Dem kann ich nur zustimmen. Danke für den Bericht. Es ist schön zu lesen, dass es euch gut geht.
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gordito54
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

Liebe Leser und Mitforisten!

@Max und @Holger78: Danke, daß ihr mich vermisst habt, uns geht es gut, aber der Alltag fordert seinen Tribut und er liefert nicht mehr soviel Neues wie früher.

MUTTERTAG

Das wird hier fast so groß gefeiert wie Weihnachten. An diesem Sonntag ist meine Frau am frühen Morgen aufgestanden und hat sich fertiggemacht.
Um 8 Uhr war sie bei der Metzgerei Gomez und hat die von ihr vorbestellten Sachen abgeholt. Ihr Sohn “Kiko” hatte dazu Geld aus den USA geschickt und den Muttertag damit gesponsort. Am Mittag trudelte sie nach den ganzen Vorbereitungen wieder zu Hause ein. Ich hatte das Mittagessen bereits vorbereitet: Spaghetti Bolognese mit einem frischen Salatmix.

Siesta!

Am späten Nachmittag fuhren wir rüber zu einer Schwester meiner Frau. Sie wohnt in dem Haus, daß meine Frau einmal mit ihrem verstorbenen Mann gebaut hat. Was einst ein schmuckes Haus war, ist heute abrißreif.
Nach dem wir erfuhren, daß der Familienzweig aus Pereira im Auto (drei Fahrzeuge) sitzt, durfte ich mit meiner Frau in die Metro fahren, denn dort hat die Fleischtheke immer auf. Zurück auf den Roller mit Grillfleisch und Baguette.
Das Eckhaus liegt an einer befahrenen Straße. Gut, wenn man Arepas verkaufen will. Aber eher ungeeignet für eine Familienfeier.

Nun gut, der Grill wurde angeworfen, heute mit Grillfleisch drauf und ohne Arepas. Die Limonade war bereits im ehemaligen Farbeimer angerührt worden, es ist der größte verfügbare Behälter in unserem Haushalt. Mit dem schwindenden Tageslicht waren nun alle Familienmitglieder anwesend und das Grillfleisch wurde serviert. Die Plastikteller waren randvoll. Da es keine Tische gab, nahm man das Essen also rustikal mit dem Plastikteller auf den Knien ein. Ich habe mich gegenüber an einen Tisch in Kevins Restaurant gesetzt, er hatte mir den Platz freundlicherweise angeboten.

Es mag gegen 20 Uhr gegangen sein, als alle satt waren. Der Familienzweig Pereira verabschiedete sich. Alle Fahrer waren “trocken” geblieben. Respekt. Eine weitere Schwester erschien dafür mit Mann und Kindern, als die Autos auf dem Weg waren. Langsam gingen die, die nicht mehr fahren wollten, zu Bier und Aguadiente über. Ich hatte mich nach meiner Mahlzeit wieder unter die Familie gemischt. Wenn viele Menschen auf engem Raum zusammen sind und reden, wird es laut. Bier und Aguadiente sorgen dafür, daß die Aussprache immer “flüssiger” wird, also für mich in Richtung unverständlich geht. Um 9 p.m. habe ich mich herzlich von allen verabschiedet und den Heimweg angetreten. Zu Hause bin ich erstmal unter die Dusche verschwunden. Ich habe gerochen wie ein Grillwürstchen, so wollte ich nicht ins Bett.

Nach Duschgel und Deo das erste Bier. Mann, das zischt! Aufs Bett gesetzt, Klimaanlage gestartet und den E-Reader an. Bei mir laufen momentan die Jack-Reacher-Bände über den Bildschirm. Ich brauche das vor dem Einschlafen.

Um Mitternacht kam meine bessere Hälfte nach Hause. Die gleiche Prozedur: Dusche, Deo und ein Gin Tonic. Gute Nacht!

GESUND ESSEN

Wenn man hier VERPACKTE Lebensmittel kauft, ist häufig mindestens ein Warnhinweis des Gesundheitsministeriums drauf. Das ist jeweils ein achteckiges Schild (wie das Stop-Schild) mit schwarzem Untergrund und weisser Schrift. Es wird darauf hingewiesen, daß das Produkt z.B. viel Zucker, viel gesättigte Fette oder viel Salz enthält.
Ferner ist immer auf der Verpackung eine Tabelle mit den Nährwerten abgedruckt, auch wenn sich daraus keine Warnhinweis ergibt. Ich finde, daß ist wichtiger als die Produktwerbung des Herstellers.
Allerdings habe ich noch nie erlebt, daß jemand im Supermarkt einen Blick darauf wirft und das Produkt dann wieder zurücklegt.

UNWETTER, DIESES MAL WIR

Über das Unwetter, das aus der 4. Straße den Canale Grande gemacht hat, habe ich ja schon berichtet.
Seit Wochen regnet es fast regelmäßig nachmittags. Irgendwann zwischen 3-5 p.m. rumpelt es am Himmel und Regenwolken ziehen auf. Es regnet mal wenig, mal heftig. Man ist also gut beraten, das, was man zu erledigen hat, auf den Vormittag zu legen.

Häufig setzt auch abends Regen ein, der teilweise bis zum nächsten Morgen anhält. Ich weiss gar nicht, ob wir derzeit offiziell Regenzeit haben oder nicht, auch nicht, ob wir El Nino oder La Nina haben oder was anderes. Als wir Ende August 2023 hier ankamen, war fast ein halbes Jahr lang Dürre, nicht ein Tropfen Regen. Jetzt ist das völlig anders.

Gestern waren 28 l/m² Regen in der Wettervorhersage angesagt. An sich unproblematisch, wenn sich das über den Tag verteilt. Wir haben den Segen ab 5:30 p.m. innerhalb einer halben Stunde abgekriegt. Im Haus war alles dicht, aber das Abwasser auf der Straße stieg und stieg. Unser Bürgersteig liegt etwas höher als die Straße, etwa fast Kniehöhe. Als die Hälfte dieses “Polsters” aufgebraucht war, habe ich die Türspalten zischen den Garagentoren und dem Boden mit Putzfeudeln zugestopft, so schnell es ging. Die Brühe auf der Straße stieg und stieg. Anwohner brachten ihre Fahrzeuge in Sicherheit. Die ersten Nachbarn fingen an, ihre Wohnungen leer zu schöpfen. Auch die alte Dame im Nachbarhaus war betroffen. Meine Frau ist rübergesaust und hat der Familie geholfen.

Letzten Endes haben knapp 5 cm gefehlt, und das Wasser hätte auch unser Erdgeschoß geflutet.

Nach einer halben Stunde wurde der Regen weniger, der Wasserstand auf der Straße fiel. Nach einer Stunde war die Jauche abgelaufen.

Ich habe Videos aus der Stadt gesehen. In einem Restaurant stand die Brühe mindestens 20 cm hoch. Von der Küche bis in den Speiseraum.

Heute, am Tag danach, ist unsere Straße von einer dünnen Schlammschicht bedeckt. In anderen Straße liegen Äste und angeschwemmter Müll. Anwohner haben teilweise die Gullydeckel und Abdeckungen von Straßenentwässerungen, die die Straße QUEREN entfernt, damit die Jauche besser ablaufen kann. Wenn du heute mit dem Roller unterwegs bist, ist das lebensgefährlich. Bleibst du mit dem Vorderrad in deinem solchen Loch hängen, machst du den Salto deines Lebens. Bei Gegenverkehr könnte es auch dein letzter sein.

Am Tag zwei nach dem Unwetter waren alle Müllhaufen, die die Anwohner in den Straßen aufgehäuft hatten, verschwunden und die Gully-Schachtdeckel sämtlich wieder montiert. Die Müllabfuhr hat eine Sonntag-Sonderschicht gefahren. Respekt!

Das Entfernen von Abdeckungen ist nicht nur für den Verkehr lebensgefährlich, es ist auch kontraproduktiv.
Warum?
In die Kanalisation werden so Lappen, Müll und Holz eingetragen. Die Betonrohre habe Stöße, dort bleiben diese Dinge häufig hängen und verhaken sich dort. Ruck zuck bleibt der andere Kram auch dort hängen, das Rohr ist damit quasi dicht.
Die Stadt hat offenbar einen Saug-/Druckwagen. Der LKW ist teuer, er kommt natürlich aus den USA. Bis der einmal durchgeputzt hat, das wird dauern.

INLFATION

Die offizielle Infaltionsrate wird in den TV-Nachrichten mit 7% angegeben. Wie alle staatlichen Verlautbarungen in allen Ländern der Welt ist sowas immer mit Vorsicht zu geniessen.

Kostete das Taxi in der einfachsten Fahrt bis ins Zentrum bei unserer Ankunft hier Ende August 2023 noch 5.000 COP (1,07 Euro), zahlst du jetzt für die gleiche Strecke (noch) 6.500 COP (1,39 Euro). Das dürfte sich in den nächsten Wochen ändern.
Beim Rumpelbus nach Pereira das gleiche.

Nun sind das für uns keine exorbitanten Preisschübe, aber für den “einfachen” Kolumbianer werden diesen Preissteigerungen keine adäquaten Lohnsteigerungen gegenüber stehen, da bin ich mir sicher. Nirgendwo ist das so.

Unser Kaffeeautomat kostete hier vor einem Jahr 2,3 Mio. COP (rund 500 Euro), das ist der doppelte Preis wie in D!). Jetzt will man für das gleiche Gerät sagenhafte 3,6 Mio. COP (770 Euro). Kaufe ich es in Deutschland und lasse es per UPS herkommen, komme ich mit 400 Euro incl. Steuern locker aus.

Solche Preissteigerungen findet man aber nicht bei dem großen amerikanischen Versandhändler, ein klarer Wettbewerbsvorteil für ihn, auch wenn man ihn nicht mag.

Herzliche Grüße aus Cartago/Valle

gordito54
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CaribicStefan
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von CaribicStefan »

Moinsen gordito bonito...
Da drück ich doch die Daumen das der Regen nicht noch heftigere Aussmaße an nimmt. Aber sicherer wäre es wenn Du dir direkt ein paar Gummistiefel mitbestellst zum Kaffeeautomaten.
Auch ich habe die Inflacion schon im Dezember - Januar gespürt, für die "Normalverdiener" fast kaum noch bezahlen. Jetzt habe ich hier noch was von einer Sicherheitssteuer im Forum gelesen, mal sehen wie es damit weitergeht.
Mein nächster Besuch steht für mitte August an, bisdahin verschline ich deine Berichte und vor allem Schreib - & Ausdrucksweise!
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Tenere-wue
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Beitrag von Tenere-wue »

Dankeschön für den Bericht den man so live miterleben kann und miterlebt hat.
Liebe Grüße und bis bald.
-vive tu sueno !
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Holger78
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Beitrag von Holger78 »

Auch Danke von mir. Diese Bilder im Kopf von den Straßen, dem Regen und der Feiern. sehr schön
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gordito54
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Beitrag von gordito54 »

Liebe Mitforisten und Leser!

@CaribicStefan: Danke für deinen Beitrag und herzliche Grüße an den Prinzipalmarkt!

@Tenere-wue: Wie wahr und bis demnächst gerne wieder bei uns zum Kaffee!

@Holger78: Herzliche Grüße nach Bayern!


NACH DEM UNWETTER

Wie ging es denn weiter nach dem großen Regen?

Tag 3: Am Vormittag höre ich etwas über den Straßenbelag kratzen. Die Kehrmaschine ist da. Sie besteht aus einem Bobcat, das ist ein kleiner Radlader (mit Fahrer) mit einer Schaufel vorne, und einem Menschen mit Schaufel und Besen. Der Mitarbeiter der Straßenreinigung hat über die ganze Länge der Straße und den großen Wendehammer die Rinnsteine freigeräumt. Er war den ganzen Tag beschäftigt.

Tag 5 vormittags: Drei Mitarbeiter der Stadtreinigung reinigen mit Besen und Schaufel die Straße komplett von vorne bis hinten.

Tag 5 nachmittags: Wir kommen um 4 p.m. mit dem Roller nach Hause. Der Saug-/Druckwagen der Abwasserbetriebe ist da. Jeder Gullydeckel wird aufgenommen und ausgesaugt. Man hört am Edelstahlrohr, das in der Straße steckt, was alles an Steinen und festem Material aufgesaugt wird. Es ist einiges. Ein Mitarbeiter steht mit einer Schaufel daneben und versucht allen Unrat in den Schnorchel zu schaufeln. Gegen 6 p.m. sind sie fertig.

In Europa wäre der Einsatz mit Reinigungsfahrzeugen erfolgt. Da die teuer in Anschaffung und Unterhalt sind, entfällt das hier. Die menschliche Arbeitskraft ist wesentlich billiger, das rechnet sich für die Stadt und die Menschen haben bezahlte Arbeit.

Alles in allem hat man die begrenzten zur Verfügung stehenden Mittel zur Schadenbeseitigung aus meiner Sicht sinnvoll nacheinander eingesetzt. Fünf Tage nach dem Unwetter waren die Folgen beseitigt. Respekt!


ABTEILUNG MORD UND TOTSCHLAG

Gestern kam meine Frau am späten Abend gegen 22 Uhr aufgeregt und am rechten Knie blutend von ihrem Schwestern zurück nach Hause. Eine von ihnen lebt mit Mann und Kindern in einer Straße, ich der ich nicht beerdigt sein möchte. Estrato 2, unterste Schublade.

Man saß zusammen vor dem Häuschen. Nicht weit von ihnen entfernt Steht ein junger Mann, ein chico, auf dem Gehsteig, gerade mal 20 Jahre jung. Neben ihm taucht plötzlich ein Motorrad auf mit einem Fahrer und einem Beifahrer. Der Chico wird mit mehreren Kopfschüssen hingerichtet. Das Moto haut ab. Der erste, aber nicht der einzige Fall in dieser Woche.
Die Schwestern hechten alle beim ersten Schuß ins Haus, um sich in Sicherheit zu bringen. Dabei ist meine Frau gestolpert und hat sich das Knie aufgeschlagen.
Es folgte die übliche Prozedur: Straßensperre durch die Polizei, usw. Ob das jemals aufgeklärt wird?
Was mag der Grund für diesen Mord gewesen sein? Die üblichen Verdächtigen: Spielschulden? Drogen? Wir werden es wohl nie erfahren.

Da fühle ich mich ehrlich gesagt in einer Wohnanlage wie “los Robles” mit bewaffneter security wesentlich sicherer. Die security in jetzt bewaffnet, noch vor einem halben Jahr war sie es nicht. Zudem wir keine zwielichtigen Kontakte pflegen. Allerdings ist ebendort ein Ex-Polizist in seinem Haus ermordet worden. Man munkelte seinerzeit von Verbindungen in die Drogenszene. Die Häuser dort sind nicht billig. Was verdient ein Ex-Polizist eigentlich hier?



LA UNION

Meine Frau und ich sind mit unserem Roller am Vormittag unter kundiger Leitung unseres deutschen Tourguides am Einkaufszentrum “Nuestro Cartago” nach einem gemeinsamen Tankstop aufgebrochen. Das Wetter war trocken und mild und es sollte bis gegen 16 Uhr auch keinen Regen geben. Es ging Richtung Flughafen aus der Stadt heraus. Die Bebauung wird nach und nach weniger.

Nach wenigen Kilometern erreicht man einen großen Kreisverkehr. Den kennen wir noch von unserer Fahrschulzeit. Rechts geht es nach La Virginia und nach einem Dreiviertelkreisbogen kommt die Ausfahrt nach La Union. Im Gegensatz zur Nationalstraße nach Cali, die wir auch hätten nehmen können, ist diese Nebenstrecke kaum befahren. Es gibt fast keinen Kraftverkehr. Für uns ist das gut, denn wir brauchen damit nur auf Schlaglöcher in der Straße achten. Daher kann man bei Tempo 50 als Fahrer auch mal den Kopf nach rechts und links drehen, um die Landschaft zu bewundern. Bei 50 km/h ist bei mir Schluß, die Augen tränen sonst.

Grünes Flachland mit Tümpeln geht in eine hügelige Landschaft über. Die Berge um Cartago rücken näher. Ackerbau im Flachland und Rinderweiden auf den Hügeln wechseln sich ab. In den Tümpeln stehen Vögel, die an Fischreiher erinnern. Das Land ist grün. Einzelstehende riesige Bäume mit gigantischen Kronen in Größe eines halben Fußballplatzes geben dem Vieh Schatten.

Einige Fincas in Straßennähe sind teils unscheinbar, die meisten jedoch bunt und herausgeputzt. Das darf man sich aber nicht wie im Alpenland mit überbordender Blumenbepflanzung vorstellen. Dennoch lohnt sich das genauere Hinsehen.

Es gibt Plantagen mit Zuckerrohr, daher sieht man am Straßenrand auch die Hinweisschilder auf die “Treines de canela”, die Zuckerzüge. Das sind keine Feldeisenbahnen sondern LKW mit vier Anhängern, die das Zuckerrohr vom Acker zur Verarbeitung bringen. Die LKW-Gespanne sind SEHR lang, also möglichst nicht überholen, denn soweit kannst du nur bei absolut gerader Strecke sehen. Da sie direkt vom Feld kommen, kann die Straße bei Nässe rutschig sein. Als Zweiradfahrer machst du dann den Abflug.

Das Überholen eines solches Riesen-Gespannes geht auch nur dann gut, wenn nicht vor der Zugmaschine auf einmal von rechts ein Ackerschlepper auf die Straße zieht (den hast du gar nicht sehen können wegen des LKW-Gespannes) und dir auf deiner Spur nun direkt entgegenkommt. Da hast du dann alle Hände voll zu tun.

Auf der Karte erfährt man, daß die Entfernung Cartago / La Union etwa 55 km sind. Das wäre bei unserem Tempo eine Stunde reine Fahrzeit. Wenn man Pausen macht oder sich etwas ansieht, so wie wir das machen, werden das schnell zwei Stunden. Der Weg sollte das Ziel sein. Es lohnt sich, an- und innezuhalten und sich die Natur und die Landschaft genauer anzusehen. Blühende Pflanzen sind bei mir immer ein beliebtes Fotomotiv, denn diese Farbenpracht ist einmalig. Am liebsten bei Sonne: viel Licht gleich hoher Farbkontrast.

Da die Nebenstecke eine Mautstation hat, ist sie in gutem Zustand. Die wenigen Schlaglöcher machen einer Enduromaschine nichts aus. Einem Roller schon, wenn das Vorderrad komplett hineinpasst. Im Sonnenschein erkennt man die Schlaglöcher gut und kann reagieren. Im Schatten der Straßenbäume siehst du die aber nicht, da gibt es schonmal einem heftigen Schlag.

An der Mautstation ist nichts los, bezahlen brauchen wir eh nicht.

Nach und nach kommt die Kleinstadt näher, es geht gegen Mittag und ein Hüngerchen regt zur Einkehr an. Empfohlen wurde uns ein Hotel, daß über La Union gelegen ist. Die Zufahrt ist mit security und Schranke besetzt. Eine gute Straße führt in Serpentinen nach oben. Der Ausblick vom Parkplatz vor dem Hotel auf den Ort ist spektakulär.

Die Fülle der teuren Fahrzeuge auf dem Parkplatz lässt auf eine gute, aber hochpreisige Küche schließen. Wir waren die einzigen Zweiradfahrer, außer den Fahrzeugen auf dem Personal-Parkplatz. Da wir jedoch mit preiswerter Hausmannskost völlig zufrieden sind, lag die Fahrt bis ins Zentrum von La Union nahe. Ein Restaurant mit dem üblichen Mittagtisch für Einheimische war bald gefunden. Die Mittagpause dort war angenehm und bezahlbar.

Einen Rundgang über den zentralen Platz in der Ortsmitte habe ich mir verkniffen, denn ich wollte mir die Kräfe für die Rückfahrt einteilen. Ja, ich bin keine 20 mehr und das merke ich manchmal.

Nun sehen diese zentralen Plätze, die meistens “Plaza Bolivar” heissen, in diesen eher kleineren Orten auch alle sehr ähnlich aus. Palmen, Bänke, Kaffeebüdchen, Stände mit Andenken-Plunder und Süßigkeiten. Egal, ob du in La Calima, Alcala oder Salento bist.

Da der Wetterbericht ab 3 p.m. mögliche Schauer vorhergesagt hatte, sind wir gegen eins Richtung Heimat aufgebrochen. Im Gegensatz zur unserem Tourguide sind meine Frau und ich gegen Regen auf dem Roller absolut ungeschützt. Wir haben nicht mal Regenkleidung, denn den Roller hatten wir eigentlich nur für Fahrten innerhalb der Stadt gekauft.

Im Sonnenschein ging es langsam bei angenehmen Temperaturen aus La Union heraus.

An der 2-spurigen Straße gibt es etliche kleine Geschäfte, die Weintrauben, Süßigkeiten und Wein anbieten. Mit einem kleinem Plastikkanister Rotwein und drei Pfund roter Trauben (10.000 COP, das sind etwas mehr als 2 Euro für die Trauben) sind wir schließlich Richtung Cartago gestartet.

Der Wein hat meiner Frau zugesagt, die Trauben sind von guter Qualität, alles in allem Gründe, wieder einen Ausflug dorthin zu unternehmen.

Neben der Straße befinden sich die Weinanbauflächen. Wer dabei an eine Hanglage denkt, liegt falsch. Die Reben stehen sauber angeordnet mit Abstand zueinander auf ebener Fläche. Ihr Laub befindet sich erst in etwa 2 m Höhe. Die Rebe ist “nackt”. Das Laub und die Weintrauben werden von einem Stielgerüst getragen, daß in dieser Höhe mit einem weitmaschigen Drahtgeflecht die komplette Anbaufläche überspannt. Blätter und Weintrauben ruhen darin und halten sich daran fest. Die Trauben hängen nach unten und haben ganztägig Sonne. Die Ernte erfolgt als Überkopfarbeit, das ist sicher echt anstrengend.

Erreicht man Cartago, gabelt sich die Straße Richtung “Nuestro Cartago” und Flughafen Santa Ana. Genau an dieser Kreuzung steht ein Limonadenstand. Die jungen Leute verkaufen ein Getränk aus frisch gepressten Zuckerrohrsaft und Wasser mit Limetten abgeschmeckt. Uneingeschränkt empfehlenswert.

Unser Tourguide fuhr anschließend nach links, (danke tenere-wue!) und wir nach rechts Richtung El Departamental.

Wir sind trocken geblieben, haben viel Schönes erlebt, hatten keinen Unfall und unser TöffTöff hat durchgehalten.

MUSIK: “Ein schöner Tag….”


Herzliche Grüße an alle in Nah und Fern!

Gordito54
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Tenere-wue
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Beitrag von Tenere-wue »

Danke für den schönen Bericht, in Villa de Roble wird aktuell ein 2Etagen Haus für 320 Millionen angeboten. :irr: . Die spinnen, die haben vergessen daß es Cartago und nicht Bogotá ist. Bis bald Gordito 54
-vive tu sueno !
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Holger78
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Holger78 »

Sehr schöner Bericht. Ich konnte mir die Gegend sehr gut vorstellen. Immer wieder einen Genus deine Berichte.

Glboetrotter
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Glboetrotter »

Gordito54,
Schöner Bericht.
Die Kleinstadt "La Union" in Valle de Cauca ist das Weinland von Kolumbien. Der Wein ist unterdessen trinkbar, gegenüber vor 10 oder 15 Jahren.
Es gibt auch ein Weinmuseum und einem Container-Park mit verschiedenen Restaurants zum Ortseingang, wobei das gegrillte Fleisch im "Brisas del Llano" ausgezeichnet geschmeckt hat.
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gordito54
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Beitrag von gordito54 »

Liebe Leser und Mitforisten!

@Tenere-wue und @ Holger78: Danke für eure Kritiken, das motiviert mich für weiteres!

@Globetrotter: Danke für den Tip mit dem Weinmuseum und die Restaurantempfehlung. Wenn wir wieder dort sind und genug Zeit haben, halten wir die Nase rein.

RÜCKBLICK
Vor zwei Jahren war mein letzter Arbeitstag, die Pakete mit meinen Habseligkeiten unterwegs nach Cartago und ich habe für den letzten Flug von Düsseldorf nach Madrid gepackt. Nur Handpepäck, was ich sonst brauchte, war ja schon rechtzeitig nach Fuenlabrada von mir “ausgelagert” worden. Im Handgepäck waren meine Abmeldung aus Deutschland und alle Dokumente, die ich für mein neues Leben brauchen würde. Das Apartment war so gut wie leer, ich schlief auf dem Gästebett. Wie schnell die Zeit vergeht…….


DAS LETZTE….
Neulich stand ich in unserer Küche und habe Chili con carne für den nächsten Tag vorbereitet. Auf einmal höre ich auf der Straße Pferdegetrappel. Ein braunes Pferd zieht einen ärmlichen 2-achsigen Wagen, der nur aus Ladefläche besteht. Vorne drauf sitzt der Lenker, seine Beine baumeln herab, das Pferd läuft in leichtem Trab. Es ist in Cartago gelegentlich immer wieder zu sehen: das letzte Pferdegespann, das Bauholz, Metallprofile oder ähnliches ausliefert. Es wird in Cartago vor 100 Jahren das Transportmittel schlechthin gewesen sein. Dann kam die Eisenbahn. Auch sie ist Vergangenheit, aber ihre Brücken blieben und werden noch heute genutzt. Vor einigen Monaten sind hier die letzten Schienen, die zum alten Bahnhof führten mit Asphalt bedeckt worden. Heute liefert alles der LKW. So ändern sich die Zeiten.


AM RIO LA VIEJA
Neben dem neu gestalteten Park “La Isleta” verläuft noch die alte “Promenade” entlang des Flusses. Meine Frau und ich suchen den Park gerne nachmittags auf, wenn’s trocken ist. Sie geht dann ihre Runden durch den Park, ich setze mich gerne auf eine der Bänke am Fluss.
Der Weg entlang des Flußufers ist asphaltiert und mit Geländer gegen Absturz gesichert. Das war in meiner Heimatstadt auch nicht anders. Das Flußufer ist mit Wackersteinen gegen Ausspülung durch den Fluß gesichert. Vom Weg geht es etwa 5 m tiefer bis zum Wasser.

Etwa alle 40 Meter ist das gelbe Geländer von einem Betonkübel unterbrochen, daraus ragt ein Bündel aus drei Rohren etwa drei Meter in die Höhe. Wenn ich auf einer Bank im Schatten sitze, mache ich mir Gedanke, wie das früher ausgesehen haben mag.
Waren die Kübel, aus denen heute das Unkraut wächst, einmal mit Blumen geschmückt?
Saß oben auf den Rohrbündeln vielleicht eine Gaslampe?
Ein schöner Gedanke, wenn man abends so hätte promenieren können. Sollte es so gewesen sein, dann ist heute nur noch ein trauriger Rest davon übrig.

Ich sitze gerne am Fluß. Wenn wenige Besucher im Park sind, ist es still und man kann den Vogelgesang vom gegenüber liegenden Ufer genießen, auch eine Nachtigall war dabei. Da das Ganze von den Baumriesen beschattet ist, ergibt sich eine angenehme Temperatur. Schiffe kucken geht hier allerdings nicht, der Fluß ist kommerziell nicht schiffbar.

Unweit der Uferpromenade befindet sich eine Brücke, eine Stahl-Fachwerkkonstruktion. Über sie kam die Eisenbahn nach Cartago. Die Stecke war eingleisig, was zu erwarten war. Heute wird die Brücke nur noch von Fußgängern, Fahrrädern und Motos genutzt. Für den Autoverkehr ist sie gesperrt.

Nach jeder Runde kommt meine Frau vorbei, trinkt kalten Sprudel mit mir und macht ein Päuschen.

Neulich sprach mich ein Paar im Vorbeigehen an. Nachdem ich Ihnen sagte, ich sei kein Gringo, sondern Deutscher, baten sie mich, etwas aus einem Song für sie vom deutschen ins spanische zu übersetzen. Im Augenwinkel sah ich schon meine Frau nahen. Sie ist immer in heller Sorge, wenn ich angesprochen werde. Verständlich.
Die beiden spielten etwas auf ihrem Telefon ab, was sich wie ein Raketenmotor auf dem Prüfstand anhörte: Ramstein. Mir völlig unbekannt. Ich habe bedauert, ihnen leider nicht helfen zu können.

Beim “Almrauschklang” wäre das was anderes gewesen…..

Neben dem Parque La Isleta liegt ein städtisches Veranstaltungsgebäude und daneben ein Freibad. Es ist immer leer. Wir werden die Verwaltung dort in Kürze ansprechen, ob und wie wir das gegen Gebühr benutzen dürfen.


DENTISTA
Am Dienstag haben meine Frau und ich unseren jährlichen Vorsorgetermin wahrgenommen. Es gibt angenehmere Termine, aber: wat mut, dat mut. (Für Bayern: was sein muß, muß sein.)
Für mich stand Kontrolle, Plaque entfernen und einmal Politur an. Nach 30 Minuten war’s geschafft. Der Zahnarzt meinete, meine Amalgamfüllungen würden alle noch prima sitzen. Na dann.
Meine Holde war auch nach einer halben Stunde fertig. Bezahlt habe ich für uns beide 250.000 COP (53 Euro). In einem Jahr sehen wir uns planmäßig wieder.


LA UNION
Für den Mittwoch waren keine Niederschläge vorhergesagt worden. Da die Trauben im Kühlschrank zur Neige gingen, war Nachschub angesagt. Also, auf nach La Union.

Da wir zur Mittagzeit ankamen, sind wir etwas essen gegangen. Den Kaffee haben wir in einer Panaderia eingenommen. Auf dem zentralen Platz gab es genug fahrbare Büdchen mit Süßigkeiten und Knabberzeug, aber nicht eine mit Kaffee.

Auf dem Rückweg haben wir 3 Pfund rote Trauben für 12.000 COP (2,55 Euro) erstanden. Das reicht für die nächsten 14 Tage.

Auch meine Frau, die hinter mir auf dem Sozius sitzt, achtet auf Schlaglöcher. Da ich solo, also ohne Begleitung, deswegen eh nicht schneller als 40 fahre, ging bisher auch alles gut. Aber auf der Rückfahrt kurz vor dem Kreisverkehr La Virginia / Cartago hat es uns gerissen. Das war auch kein Schlagloch, das war ein Krater auf der Straße. Ich habe noch die Bremse gezogen, aber da war nix mehr zu machen. Es gab einen Knall und wir lagen auf der Straße. Zum Glück war kein LKW hinter uns. Jetzt hat der Roller ein paar Kratzer mehr. Meiner Frau ist nichts passiert. Auch die Trauben sind heil geblieben. Ich habe ein paar Abschürfungen am rechten Ellenbogen, das war’s zum Glück. Meine Frau hat direkt mit Sprudel gespült und mit dem Hand-Desinfektionsgel haben wir den Ellenbogen desinfiziert.

Ich habe mir vor der Heimfahrt den Krater angeschaut. Das ganze Vorderrad passte komplett rein. Alles in Allem: Glück gehabt. Aber schneller hätte ich auch nicht fahren sollen.


POST AUS ALEMANA
Am 10.06. erhielt ich die erste Post aus Deutschland nachmittags. Es war die Lebensbescheinigung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) für das Jahr 2025. Am Vormittag des gleichen Tages hatte ich das Formular aus dem Internet geladen, ausgedruckt und bin damit zum primera notaria gefahren.

Nun ergab sich die Möglichkeit, das kostenlose postident-Verfahren zu nutzen, weil der an mich gerichtete Brief den dazu nötigen QR-Code enthielt. Also: QR-Erkennungsprogramm heruntergeladen und installiert. Das klappte noch und die Post bestätigte mir den Empfang meiner Nachricht.

Die nötige Post-Ident-App ließ sich nicht auf meinem Telefon installieren, wie mir von google mitgeteilt wurde. Also habe ich versucht, das Ganze per PC abzuwickeln. Das wird (natürlich) nicht unterstützt. Wäre ja auch zu einfach. Fünf Stunden meines Rest-Lebens habe ich mit diesem Mist vergeudet.

Wieso also muß es in Deutschland wieder was geben, was hier nicht funktioniert? Ist eine Indentifikation per Zoom nicht möglich? Warum und wieso? Doch nicht etwa der Daten-Verhinderungs-Schutz der EU? Darauf verzichte ich gerne. Interessiert hier eh keinen. Beim Kauf von einem Baguette wirst du an der Kasse nach der Nummer deiner Cedula gefragt. Hier hat keiner damit Probleme.

Wieso eigentlich das ganze Papier, von dem bestenfalls die Hälfte hier ankommt, weil 24/7 nichts dran verdient? Das ist alles vorletztes Jahrhundert! Ich kommuniziere mit der RZVK (Betriebsrente) und meinem Anwalt NUR per E-Mail. Klappt vorzüglich.

Das vom primera notaria bestätigte Dokument kommt heute in Deutschland an, ein Freund nimmt es mit und wirft den Brief ein.

Am 15.06. kam die nächste Post der DRV. Man wollte die Bestätigung meiner Bank, daß ich der Kontoinhaber bin. Abgeschickt wurde der Bief am 24.01.2024!! Seit April 2024 erhalte ich zwar meine Rente der DRV auf dieses Konto, aber ich muß ja nicht mehr alles verstehen, was aus Deutschland kommt.

Aus genau diesen Gründen ist mein Anwalt auch mein Postbevollmächtigter. Kann ja sein, daß es mal was wichtiges ist.

Also ab zur Bank. Obwohl das Formular deutsch/spanisch ausgestellt war, hat sich die Bankangestellte geweigert, etwas zu unterschreiben, was nicht ausschließlich in spanischer Schrift war. Kann ich verstehen. Also habe ich einen Ausdruck der Davivienda zu meinem Konto in spanisch erhalten, mit Stempel und Unterschrift. Aber ohne Übersetzung durch einen staatlich vereidigten Übersetzer und ohne Apostille. Hoffentlich reicht’s auch so. Ich habe meinen Part unterschrieben und den ganzen Mist eingetütet. Auch das hat unser Freund mit nach Deutschland genommen.

Vielleicht erlebe ich es ja noch, daß alle diese bürokratischen Vorgänge online durch KI erledigt werden können, was mir sehr lieb wäre.


Liebe Leser und Mitforisten, heute an Sommersonnenwende schließe ich jetzt mit herzlichen Grüßen an Alle!

Beim nächsten Mal wird es um den kleinen Park ohne Namen gehen.

Hasta pronto aus Cartago!

gordito54
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Holger78
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Beitrag von Holger78 »

Erneut sehr lesenswert. Danke Dir hierfür.
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bastians
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Beitrag von bastians »

Moin Gordito54,

bzgl. der Postidentapp, hast Du deinen Google-Account eventuell auf Kolumbien umgestellt? Dann gehen viele deutsche Apps nicht (umgekehrt genauso).

Alternativ könnte man es auch per Androidemulator auf dem PC probieren. Hier wird beschrieben, wie es gehen soll (habe es aber selber nicht ausprobiert!): https://www.memuplay.com/de/how-to-use-postident-on-pc.html

Max
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Max »

Servus also bei mir hat das mit der post id funktioniert, habe aber auch eine deutsche Aldi Talk Nr und VPN.
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gordito54
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Beitrag von gordito54 »

Guten Morgen zusammen!
Danke für eure Anregungen. Ich habe sämtliche Accounts auf Kolumbien umgestellt, als im Dezember 2023 meine deutsche Bank mit spanischen Wurzeln den Zugriff auf mein Konto gesperrt hatte. Begründung: eine Einwahl aus Kolumbien sei nicht erwünscht. Es folgte ein finanzieller "Blindflug", an dem ich heute noch zu kauen habe.
Da ich von EDV keine Ahnung habe, wird es wohl beim Papier bleiben müssen. Ich bin auch nicht mehr gewillt, mehr kostbare Lebenszeit ins sowas zu verbraten. Eigentlich ist das alles ein Trauerspiel, denn per whatsapp kann ich mit Bild und Ton mit Deutschland sprechen, erst gestern noch mit Freunden am Bodensee. Sowohl per Telefon als auch per PC. Funktioniert, ist offenbar aber zu einfach und problemlos und daher nicht erwünscht.
Die Kommunikation mit der Stelle für meine Betriebsrente klappt einwandfrei über E-Mailverkehr. Mit meinem Anwalt sowieso.
Mit Zoom und anderen Tools arbeiten TV-Stationen weltweit und senden auch Berichte, die mit Hilfe dieser Medien erstellt wurden. All das klappt weltweit. Nur wenn die deutsche Post oder die DRV ins Spiel kommen, rien ne vas plus......
Das Leben ist zu kostbar, um sich weiter über solchen Mist zu ärgern. Heute ist Sonntag und wie ich gelesen habe, ist es auch in Deutschland lecker warm. Daher wünsche ich allen Lesern einen schönen Sonntag. Erholt euch gut, morgen geht die Tretmühle wieder los.

Herzliche Grüße aus Cartago/Valle und danke für über 20.000 Zugriffe.

gordito54

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