Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert


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gordito54
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

⇒ Letzter Beitrag der vorhergehenden Seite:

@ Nico: Du hast recht, Ohrstöpsel habe ich für die Nacht, aber bisher nicht gebraucht. Bin auch lärmempfindlich, aber der Januar naht mit jedem Tag, dann ist dieser Unfug hier vorbei.

Gestern Abend war ein Bericht in den Nachrichten zu Kindern, die sich im Umgang mit Böllern die Hände verbrannt haben. Das wird hier keine Wirkung haben, denn "die waren ja offenbar zu blöd. Das passiert immer nur den anderen, ich bin ja clever." Das sind auch die, die stehend auf LKW mitfahren. Im übrigen reissen die Knallkörper auch Finger ab, das wurde aber nicht gezeigt. Mein Mitleid hält sich insgesamt in Grenzen, da solche Verletzungen ja vorhersehbar sind. Explosivstoffe gehören halt nicht in Kinderhände.
Mein Mitgefühl haben drei Brüdern aus den Morgennachrichten, der jüngste ist 60, alle drei sind blind. Jeder kriegt eine staatliche Rente von 800.000 COP (186 Euro). Die armen Männer.
Nico, Dir und allen Mitforisten hier nah und fern einen schönen und möglichst ruhigen Advent!
Du hattest einmal gefragt, warum wir nicht selber kochen. Ich bin Spezialist für ital. Pasta und die machen wir auch gelegentlich.
Meine Frau schmeisst den Haushalt, ich brauche nichts machen, nur meine gewaschene Wäsche falten und in meinen Schrank einräumen.
Sogar als ich noch auf dem Campingplatz lebte, hatte ich eine Putzfrau, einmal wöchentlich für 2 Stunden. Das blieb bis Juni 2023 so, dann ich ich ausgewandert.
Es geht mir nicht um die 4,40 Euro täglich, was ich eh sehr günstig finde, sondern darum, meine Frau zu entlasten. Sie macht genug, da kann ich ihr das Kochen mittags abnehmen (kostet nur diesen kleinen Betrag). Das ist der Motivator.
Bei den hiesigen Preisen kaufe ich lieber eine Dienstleistung ein, bevor ich selber tätig werde. Ich muß gestehen, ich bin nicht der Handwerker, im Gegenteil.
Für alle, die weiter an den Lebenshaltungskosten Interesse haben: die Rechnungen für die Nebenkosten laufen alle geradeaus.

Weihnachten ist auch hier die Zeit der Warenhäuser. Es gibt Werbezettel von ARA, D1 und allen anderen. Bei Spirituosen wird interessanterweise mit dem Rabatt geworben, also 10, 15, 20% off, aber es wird kein Endpreis genannt. ich wette, der liegt noch über dem regulären Ladenpreis. Mein Getränkelieferant in der Familie, Yeison, hat uns schon gesagt, wir sollen möglichst Poker auf Lager legen. Im Dezember steigen die Preise nämlich kräftig. Jedes Jahr das gleiche Spiel. Alle Produkte, die mit Weihnachten zu tun haben, sollte man meiden, sie sind unverschämt teuer.

Die SURA Krankenkasse gibt es hier nicht nur in Pereira. Aber bei der SOS (service de salud occidental) aus Cali kann ich mich hier versichern. EPS plus eine Tarif "Senior" (plan complemental) soll um die 260.000 COP (60 Euro) im Monat kosten. Ich bin geneigt abzuschliessen, denn ich kann froh sein, wenn mich eine KK mit 69 noch aufnimmt. Ich werde dazu noch gesondert berichten.

Vor 10 Tagen hat es in einem anderen Viertel abends um 10 eine Schiesserei gegeben. Es wurde von einem Jugendlichen unmotiviert 5 Schüsse auf eine Gruppe abgefeuert. Eine Schwester meine Frau blieb unverletzt, aber eine junger Mann bekam einen Kniedurchschuss. Vorgestern waren sie abends dann bei uns, um Geld für die OP zu erbetteln. Meine Frau hat das geregelt, aber es gab kein Geld. Fängst du damit an, hast du jeden Abend Besuch, denn jeder hat irgendwas, was er wirtschaftlich nicht stemmen kann. In diesem Fall OP-Kosten von 60 Mio. COP (14.000 Euro), der Gegenwert eines guten Gebrauchtwagens. Übrigens war nach dem Vorfall reichlich Polizei da, es wurde heftig ermittelt, ich habe nie mehr was davon gehört. Warum wundert mich das nicht.

Der Bruder meiner Frau ist gestern schon von der Baustelle zurückgekommen und hat mit seinem Sohn bei uns übernachtet. Heute ist Erstkommunion. Ich werde sie erst gegen Mittag zurückerwarten, daher habe ich jetzt Zeit für ein paar Zeilen.

Gestern haben wir hier im Barrio einen Entsafter im Tienda de Hogar gekauft. Chinesische Markenware für unglaubliche 75 Euro! Hoffentlich hält das Ding lange...

Angeblich gibt es in Cali echte Weihnachtsbäume zu kaufen, ab drei Meter Höhe. Ich kann das nicht überprüfen und will es auch nicht. Die Außendeko unseres Häuschens hat mit 1 Mio COP schon genug gekostet. Ich bin nicht Rockefeller. Mich wundert nur, daß nach fast einer Woche noch alles da ist. Sollten wir das Glück haben, alles, was wir installiert haben, im Januar auch wieder verpacken zu können?

LG an Alle nah und fern aus Cartago/Valle
gordito54
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CaribicStefan
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von CaribicStefan »

Es ist mir immer eine große Freude deine Berichte zu lesen!
https://www.youtube.com/watch?v=GJm7H9IP5SU
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Holger78
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Holger78 »

@Gordito54
Vielen Dank für deine Wünsche. Mit etwas Verspätung sind wir in München losgeflogen. Da der Anschlussflug in Frankfurt auch Verspätung hatte war das kein Problem.

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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

@ Holger 78: Das freut mich, daß alles geklappt hat. Eine Tortur ist eine solche Reise ja immer, wenn man dabei auch noch strandet, wird's zum Höllentrip. Erholt euch gut hier in Colombia, frohe Weihnachten und alles Gute zum Neuen Jahr.
LG aus Cartago

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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

Gestern war es soweit, ich habe meine cedula bei migracion colombia in Pereira abgeholt. Nun bin ich endgültig hier angekommen.

Allen frohe Weihnachten!

Meine nächsten Berichte werden sein:
Ein Sonntagsausflug nach Solento und
Ein Einkauf im Supermarkt.

LG an Alle!
gordito54

Max
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Max »

I wünsch Dir vuil Spaß in Salento, dann berichte mal wie es war, ich geh mal davon aus das es typisch kolumbianisch übervoll sein wird

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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

Liebe Mitforisten,

heute möchte ich im letzten Beitrag des Jahres noch ein paar Alltagsdinge zum besten geben, denn meine Frau ist in die Kirche gegangen. Also Zeit für mich, in die Tasten zu greifen.

Wasser: Meine Frau putzt das Bad mindestens einmal pro Woche. Was sie nicht mit Chemie bekämpfen muß, sind die Kalkflecken, die sie aus Deutschland kennt. Das Wasser hier ist weich, es gibt keine Kalkflecken.

Drempel: Die kennen alle, die einmal in Holland waren. Das sind künstliche Bodenwellen auf der Straße, hier in der Stadt aber auch auf der Fernstraße nach Pereira. Sie sind mit Schildern gekennzeichnet und (Überraschung!!) ALLE halten sich daran, im Schrittempo darüber zu fahren. Nicht, weil es so gewollt ist, sondern weil sonst Lenkung und Achsen zu Bruch gehen.

Maud: Die Nutzung der Fernstraße nach Pereira ist kostenpflichtig. Der Tarif liegt so um die 15.000 COP, das sind 3,50 Euro. Dafür ist die Straße aber auch in einem guten Zustand, was man von den innerstädtischen Straßen nur selten sagen kann. Schlechter Belag und Löcher machen den Weg zur Tortur für Reifen und Fahrwerk.

Musik: Der Lärm, den man hier unter Musik versteht, war um den ersten Advent schlimm, weil laut und auf der Straße. Laut heisst, du kannst im Salon kaum fernsehen. Auch der Heiligabend war grausam, da dudelte etwas bis morgens um 8, dann war Ruhe. Schlafen war nur mit Ohrenstopfen möglich. Ansonsten kann ich mich nicht beschweren. Heute wird's nochmal schlimm, aber dann ist wohl wieder Normalbetrieb. Und der ist durchaus in Ordnung.

Armut: Vorgestern waren wir in der Hühnerbraterei an der Hauptstraße Mittagessen. Nach der landestypischen Vorsuppe mit Hühnerteilen (war nichts für mich) gab's das Hauptgericht, natürlich mit viel Reis. Mir hat Hühnchen mit Bohnen gut geschmeckt, ich war gesättigt, auch ohne den Reis anzurühren. Ich schob also den Teller von mir weg. Auf einmal ruft eine Stimme vom Bürgersteig her. (Ich höre sonst eigentlich nie Stimmen und fühlte mich auch nicht angesprochen.) Der Wirt kam und fragte mich, ob ich fertig sei. Ich bejahte. Er nahm meinen Teller und füllte den Reis einem jungen Mann in seine Plastiktüte und gab ihn noch einen Plastikbecher mit Limonade mit. Ich glaube fest, das war die einzige Mahlzeit für ihn an diesem Tag. Am nächsten Vormittag haben wir ihn wiedergefunden. Er lag neben dem ARA-Supermarkt im Schatten und schlief, zugedeckt mit einer Pappe.

Heiligabend: Wir haben bei einer Schwester meiner Frau im Kreis der Familie gefeiert. Meine Frau hatte sich bereits im November eine Gesichtskosmetik gewünscht, die sie natürlich auch bekommen hat.
Nach der zentralen Bescherung für alle Kinder saßen wir natürlich noch beisammen. Ein Krümel kam zu mir, er hatte ein Auto mit Funksteuerung im Arm, leider ohne Batterien fürs Auto und die Fernbedienung. Hätte ich das gewußt, hätte ich genug Batterien für alle mitgebracht. Also zog er wieder ab. Ab 23 Uhr wurde es immer lauter. Von allen Seiten. Da ich nur Bier trinke und meine Frau auch vernünftig mit Alkohol umgehen kann, war der nächste Morgen für uns kein Problem. Aber alle die, die sich die drei!!! Flaschen Aguadiente gegönnt haben, liefen als Alkozombies durch das Haus und waren krank. Und überhaupt war es an diesem Tag in unserer Straße totenstill. Nur die Kiddies waren auf der Straße...
Mir wurde erzählt, der Krümel mit dem Funkauto sei am nächsten Morgen wieder da gewesen und habe um eine Scheibe Brot gebeten, es sei kein Brot im Haus. Klar hat er die gekriegt. Wenn er groß sei, sagte er, bringt er seinen Vater um, der die Mutter wieder vermöbelt hat.

Tradition: Gestern war Schlachttag. An Silvester gibt es Schweinefleisch bis zum Abwinken. Also hat Kiko aus den USA Geld geschickt und eine halbe Mio. COP habe ich draufgelegt. U.a. wurde davon ein großes Ferkel gekauft, das gestern am Vormittag ausgenommen und friedlich dösend in Carmens Bistro in der Sonne lag. Der Metzger kam und hat es zerlegt, Blut, Fettstücke mit Gewürzen wurden über Wasserflaschen, denen der Boden abgeschnitten worden war, in die gespülten Schweinedärme gepresst. Danach wurden die Würste gebrüht und das Fleisch portionsweise zugeschnitten. Der Tag war dann auch rum und unser Gefrierfach randvoll. Mal sehen, wie es heute weitergeht.

Ausblick auf 2024: Einem youtube-Kanal aus Armenia habe ich entnommen, daß es auf halber Strecke von Cartago nach Pereira ein Einkaufszentrum gibt. Darin bietet ein tschechischer Metzger mit deutschem Meisterbrief Fleisch und Wurst an, darunter Krakauer und geräucherte Mettwürstchen. Das werde ich ausprobieren und darüber berichten. Das Fleisch hier in den Märkten ist OK, aber die Wurst schmeckt alle gleich, nämlich nach nichts, egal, was auf dem Etikett steht.

11:16 Uhr. Der Lärm geht los.......

Allen hier ein gutes Neues Jahr mit Lebensqualität und Gesundheit, den Rest kann man zukaufen.

gordito54
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Holger78
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Beitrag von Holger78 »

Erneut ein sehr schöner Bericht. Vielen Dank, das du uns an deinem Leben teilhaben lässt.
Wünsche Dir und deiner Familie einen guten Start ins neue Jahr.
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Bogotano
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von Bogotano »

Auch von mir ein dickes Danke!

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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

Sonntags nach Salento!
Da wir kein Auto haben, sind wir freundlicherweise mitgenommen worden. Es war an diesem Sonntag etwas bedeckt und das war auch gut so, denn die Temperaturen sind dann erträglicher, besonders, wenn man spazieren geht. Salento liegt höher als Cartago, von daher war eine leichte Jacke gegen einen Regenschauer schon die richtige Wahl.
Zuerst fällt nach dem Verlassen der Hauptstraße auf, daß die Zufahrt nach Salento komplett neu asphaltiert und daher in hervorragendem Zustand ist. Andere miradores (Aussichtspunkte mit Gastronomie) haben Schotterpisten mit Schlaglöchern. Wenn das in Salento anders ist, muß das handfeste ökonomische Gründe haben.
Und tatsächlich ist bereits auf der Anfahrt noch vor dem eigentlichen Ort alles auf den Tagestourismus ausgelegt. Rechts und links der Straße sind Restaurants und Imbisstände errichtet. Männer winken mit kleinen Flaggen und sollen damit mögliche Kunden auf die Parkplätze locken.
Erreicht man Salento, ist alles auf Einbahnstraßenverkehr getrimmt. das ist auch verständlich, denn die Calles sind schmal. An jeder Kreuzung steht ein scout, der den Verkehr regelt, er winkt die Autos auf Parkplätze oder weist sie auf der Straße ein. Die kleinen Straßen sind sauber, es fliegt kein Müll durch die Gegend, die Verkehrsführung ist gut organisiert (Kolumbien und Organisation!!!) und es stehen ausreichend Parkplätze, auch in den Straßen, zur Verfügung. Der Scout weist dich also ein, dann zahlst du Parkgebühr. Bis zum Kirchplatz im Zentrum kann man gut laufen, es ist nicht weit, Salento ist nicht groß. Die Häuser sind gepflegt und in den Landesfarben bunt gemalt. Bröckelnde Fassaden gibt es nicht, Salento ist reale Historie, in der man leben kann, wenn man das möchte. Es ist schön zu sehen, daß offenbar die Parkgebühren hier wieder re-investiert werden, denn nicht jeder dürfte das Kleingeld für eine intakte Fassade haben. Alles in allem lässt sich Salento sehen und hinterlässt einen gepflegten Eindruck.
Wir sind bis zum Aussichtspunkt weitergefahren und haben dort angehalten.
Auch ohne Sonne ist die Aussicht nett. An den für Touristenorte typischen Ständen mit Kappen, Sombreros und weiteren Souvenirs kann man sich nach Herzenslust eindecken. Mein "Fang": eine Yipeo aus Holz, in den Landesfarben bemalt, nett gemacht und eine brauen Baseballkappe "Colombia 1840" Alles jeweils zum Einheitspreis von 25.000 COP (5,84 Euro) Für Kolumbianer viel Geld, aber ausländische Touristen dürften hier handverlesen sein.
Neben den Souvenirständen hat sich ein Fotogeschäft angesiedelt. Natürlich haben wir uns auf dem Willys-Jeep und in der Ballongondel fotografieren lassen. Das war was für die kleine Maria-Jose, ich nenne sie immer Mickymaus. Sie kommt ja sonst nie aus Cartago raus. Natürlich ginge das zwar mit Muttis Motorrad, aber die Preise hier sind dann das KO-Kriterium für den Ausflug. Da kann Mutti nicht mehr mithalten. Meine Frau und ich haben die Kosten diskret übernommen, denn Oma hat auch nichts. Das ist ein Teil unseres "Dankeschön" für die Hilfe im Vorfeld, die sie uns entgegengebracht haben. Mit einem großen Erinnerungsfoto für die kleine Mickymaus ging es dann per Auto ins Zentrum.
Die meisten und besten Bilder habe ich natürlich selber geschossen. Meine Kamera ist zwar klein und passt in jede Hemdentasche, aber sie ist sehr leistungsfähig. Gut, daß ich sie aus Deutschland mitgenommen habe. Die Bilder sind prima geworden und ich habe sie zu einem schönen Video zusammengestellt. Leider hat das nur meine Frau interessiert. Alles jenseits von whatsapp hat hier keine Chance.
Rund um die Kirche und den Kirchplatz kommt keine Langeweile auf. Alles ist auf den Fremdenverkehr getrimmt, von Kaffees und Souvenirshops bis zu den Restaurants. Da es gegen eins ging, sind wir eingekehrt. Das Essen (Fisch) war qualitativ gut und mehr als reichlich, das hatte ich so nicht erwartet. Wir saßen auf der Terrasse und die Sonne wagte sich nach und nach durch die Wolken, wir haben das und unser Essen genießen können.
Ich habe im Leben selten eine bessere Forelle aus dem Backofen im Gemüsebett bekommen. Für vier Personen plus Mickymaus mit Kinderteller habe ich 300.000 COP (70 Euro) hingelegt. Für die Qualität der Speisen kleines Geld. In Deutschland hätte ich für einen Convenience-Fraß am Drachenfels 270 Euro gezahlt.
Danach noch eine Runde um den Kirchplatz und einen Blick in die Kirche und vor Allem in den Garten hinter der Kirche, der sich gelohnt hat.
Zum Schluß haben wir uns noch einen oder zwei Kaffee gegönnt, auf die Fahrt mit einem Jeep auf eine Kaffeefarm haben wir verzichtet, ich wollte nicht noch einen Sack Kaffee kaufen.
Der Ausflug hat sich gelohnt, es war nett, aber man ist auch bei Sonnenuntergang froh, wieder zu Hause zu sein. Auf der Karte sind die Entfernungen hier klein, aber auf der Landstraße zieht sich das....
Salento lebt vom Tourismus, aber wohnen würde ich dort nicht wollen, denn es dürfte jeden Sonntag dort so ablaufen.
Irgendwann fahren wir nochmal hin, aber das wird noch dauern.

LG aus Cartago/Valle
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CaribicStefan
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von CaribicStefan »

Wieder mal ein schöner Bericht den ich nur bestätigen kann... 1-2 Salento reicht im leben ;-)
Bin dann lieber Sonntags mit dem Motorrad, die große Runde von Medellin aus über Bolombolo (Abstecher über Venicia) nach Santa Fé de Antioquia gefahren.
https://www.youtube.com/watch?v=GJm7H9IP5SU

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gordito54
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Als deutscher Rentner nach Kolumbien ausgewandert

Beitrag von gordito54 »

Was ich noch sagen wollte:

Hausgeräte: Sie haben -egal ob Kühlschrank oder Gastherme- natürlich auch ein Energielabel, wir leben hier in Colombia schließlich nicht hinter dem Mond. Aber auch hier gilt: wer mehr auf den Tisch legt, hat länger was davon.

Hauselektrik: Die ist bei uns komplett neu. Das bedeutet, daß die Steckdosen neben den Doppelschlitzen für den Stecker auch ein "Loch" haben für die "Erde". Das würde europ. Standard entsprechen. Ich würde wetten, daß ich bei Öffnen der Abdeckung feststelle, daß sie gar nicht verdrahtet ist, also nur eine Attrappe. Außer Elektrikern ist der Sinn einer solchen Phase hier auch keinem zu vermitteln. Unser Häuschen hat vier Stromkreise, die abgesichert sind. Einen FI-Schalter daneben habe ich weder bei uns geschweige denn anderen je gesehen. Alles in Allem: Sicherheitsstandard letztes Jahrhundert. Verlängerungskabel aus dem Laden sind generell 2-phasig, Kabel mit Nulleiter habe ich bisher nicht gesehen. Daraus folgt für mich persönlich: Augen auf, was man an elektrischem Gerät anfasst. Metallgehäuse sind daher für mich ein NoGo, ich achte auf eine intakte Schutzisolierung bei Elektrogeräten.

Lurchi: Die Älteren unter uns -also ich- kennen den lustigen Salamander mit dem Tirolerhut und seine Freunde den Igel und die Kröte Unkerich noch aus den Comics, die du in den 50- er und 60- Jahren beim Kauf von ein paar Salamanderschuhen im Laden mitbekommen hast. Das ist jetzt bitte keine Schleichwerbung, denn die Marke gibt es schon lange nicht mehr. Hier ist Lurchi abends an den Hauswänden aktiv und klettert von oben nach unten. Die Tierchen sind 5-6 cm lang und hellbraun, etwa 3-4 cm breit und so flach, daß sie unter der geschlossen Haustür eindringen können. Gut, unsere Böden fallen zur Straßenseite etwas ab, die Tür würde sonst nicht aufgehen. Daher leben sie in vielen Häusern auch drinnen.

Garagentore: Wir haben weder Auto noch Roller. Daher ist unsere Haus-Garage auch Salon und Fernsehraum. Hätten wir einen Kleinwagen, würde er zwar reinpassen, aber da die Türen nach innen öffnen, würde man sie nicht schließen können, denn das Auto steht ja jetzt drin. Da ist man echt sprachlos.

Ich wünsche allen Lesern einen vergnügten Sonntag!

LG aus Cartago/Valle
gordito54

desertfox
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Beitrag von desertfox »

Wegen dem Schutzleiter kann ich auch ein Lied von singen.

Als meine Schwägerin ihre neue Küche bekam (Ich war zu dem Zeitpunkt in Bogota) hatte der Installateur demonstrativ vom Herd den Schutzleiter angeklemmt. Mein Einwand wozu das gut sei da in der Verteilerdose kein Schutzleiter vorhanden ist wurde kommentiert mit:
„Verdammt, der Deutsche hat ja ne Ahnung!“
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Tenere-wue
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Beitrag von Tenere-wue »

Servus Gordito 54,
ich hoffe inständig das du das Erdbeben heute früh gut und ohne Schäden am Haus überstanden hast. Grüße
-vive tu sueno !

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gordito54
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Beitrag von gordito54 »

@Tenere-wue
Danke und auch LG zurück!

Gestern morgen um 06:30 Uhr war die Nacht zu Ende. Meine Frau ist mit einem Sprung aus dem Bett, es hat gerappelt und ich bin hinter ihr her Richtung Hauseingang geflitzt, da war auch schon alles vorbei. Wer nicht unterwegs zur Arbeit war, stand auf der Straße. Wir nur am Hauseingang innen in Unterwäsche. Auf dem Telefon kamen dann offizielle Informationen herein, wie man sich verhalten sollte, ggf. Gas und Wasser abstellen und möglichst mit Schuhen aus dem Haus wegen möglicher Glassplitter auf dem Gehweg. Das hat gut funktioniert, war hier aber zum Glück unnötig. Das Epizentrum lag 11 km von uns entfernt auf etwa halber Strecke zwischen Cartago und Pereira. Das Caracol-Fernsehen hat auch direkt in der Morgensendung informiert, das ging fix. In Pereira sind Waren in den Supermärkten aus den Regalen gefallen. Es gab etliche Risse in Hauswänden, auch hier in Cartago. Das ein oder andere Blechdach ist wo auch immer zusammengestürzt. Hausfassaden sind teilweise runtergefallen, aber Häuser sind nicht eingestürzt. Es gab aber weder Tote noch Verletzte, der Flurschaden hält sich also in Grenzen. Zerstörtes Glas wurde rasch zusammengefegt. Die Information der Bevölkerung hier klappte bestens, kein Vergleich zu Deutschland. Da gab es vor Jahrzehnten samstags auch ein Erdbeben gleicher Stärke am Niederrhein, wo ich lebte. Im WDR-Radio seinerzeit dazu: NICHTS! ARD und ZDF, auch nichts. Erst am folgenden Montag gab es in der Zeitung eine Meldung dazu.

Uns ist hier aktuell nichts passiert, auch im Barrio El Departamental gab es keine Schäden. Mir ist nichts bekannt geworden. Meine Frau hat sofort die ganze Familie abtelefoniert. Nirgendwo ist was ernsthaftes geschehen. An einer Innenwand in unserem Schlafzimmer ist ein waagerechter Haarriß entstanden, einen Meter lang, aber sonst gab es hier bei uns nichts, zum Glück. Das ist jetzt das zweite Beben innerhalb weniger Monate, diesmal mit einer Stärk von 5,6 ziemlich intensiv. Ich hoffe nicht zu Lebzeiten hier ein Erdbeben wie in den 90-er Jahren in Armenia erleben zu müssen, wo es offenbar ganze Stadtteile eingeebnet hat. Wir werden sehen.

Allen Lesern und Foristen ein unbeschwertes und ruhiges WE aus Cartago/Valle!
gordito54

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Beitrag von gordito54 »

Welche persönlichen Konsequenzen ich aus dem Erdbeben ziehe?

Über unserem Schlafzimmer befindet sich die auf das Haus aufgesetzte Einliegerwohnung. Bei der hiesigen Bauweise ist das im "Normalbetrieb" incl. einem leichten Beben sicher, bei einem starken Beben wird das in unserem Haus nicht halten, in allen anderen auch nicht. Alles, was mehr als das Erdgeschoß hat, sehe ich grundsätzlich als gefährdet an wegen der Bauweise. Erdbebenresistent bauen kann sich hier keiner leisten.
Das letzte Beben dauerte ca. 5 Sekunden. Nach meiner Einschätzung sollten wir also nach 10 Sekunden im Freien stehen, denn das Blechdach über dem Flur und der Küche wird erst einstürzen, wenn Teile der Nachbargebäude darauf fallen.

Wenn man es also schafft, schnell im Freien zu stehen, lebt man, aber wie dann weiter, wenn dein altes Leben hinter dir in Trümmern liegt?

Als ERSTES stehen ab sofort Adiletten neben dem Bett und die Jeans sind in Griffweite, damit man sie im Rauslaufen noch greifen kann. An der Haustüre wird es je eine Leder-Umhängetasche und ein Paar stabile Schuhe geben, die man im Rauslaufen noch mitgreifen oder Rauskicken kann. Anziehen kann man sich im Freien. In jeder Tasche ist eine Regenjacke, die Cedula, der Pass, weitere Papiere wie Führerschein, etc. und alle Bankkarten. Die Kreditkarte wird ein Limit von 10 Mio. COP haben, falls wir fliegen müssen. Ferner 1 Mio. COP in kleinen Scheinen, nicht größer als 20 mil COP. Dazu gibt es je ein neues Ladegerät für die Telefone. Ein backup für den Rechner habe ich eh immer, muß nur noch in die Tasche gelegt werden.

Als ZWEITES werden wir uns um eine entsprechende Hausratversicherung kümmern müssen. Alle unsere Dokumente werde ich in den nächsten Wochen einscannen und auf einem Chip speichern, den ich mir um den Hals hängen kann (Chip ist schon da, Hals auch).

Sollte es uns treffen, dann stehen wir erstmal nicht mit nichts da. Ich denke, ich habe nichts Gravierendes vergessen. Ein Erdbeben kann keiner aufhalten, aber ein Szenario durchdenken und für dich die hoffentlich richtigen Schlüsse daraus ziehen, das kann man für sich und seinen Partner, der das so nicht kann.

Eine Schwester meiner Frau mußte heute Nacht in die Notaufnahme und wird morgen nach Armenia verlegt. Gestern war sie am Nachmittag noch bei uns zu Besuch. Hoffentlich kann man ihr helfen, sie hat einen Tumor im Gehirn. Wir haben sie vorletzte Woche schon zur Untersuchung nach Cali begleitet. Sie hat vier Kinder, davon leben drei Erwachsene noch zu Hause bei ihr. Einer davon ist schwerbehindert.

Diese Woche ist echt turbulent, ich hätte gerne auf alles das verzichtet, aber du kannst dir das alles halt nicht aussuchen.
Wir leben und wir leben gut, dafür sind wir dankbar.
Meine Frau ist natürlich im Krankenhaus bei ihrer Schwester.

Ich wünsche allen Lesern und Mitforisten einen schönen Sonntag.

Und jetzt: Bundesliga!! Gladbach spielt!

LG aus Cartago/Valle
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