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Buchvorstellung: Das Gedächtnis der Gewalt – Eine Reise durch Santanders verborgenes Inferno

Verfasst: Mi 1. Okt 2025, 04:27
von Eisbaer
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Inmitten der Routinen unseres Forenalltags möchte ich ein Buch vorstellen, das mich durch seine Ehrlichkeit und historische Tiefe beeindruckt hat – Rebeldes en Santander von Wilson Rueda Ine. Es ist eine Reise durch das Gedächtnis der Gewalt, und vielleicht auch ein Impuls zur gemeinsamen Reflexion.

Das Buch Rebeldes en Santander. El infierno de los conflictos armados ist ein eindringliches Zeugnis über die komplexe und oft verdrängte Geschichte des bewaffneten Konflikts in der kolumbianischen Region Santander. Der Autor, selbst ehemaliger Kämpfer, Sozialarbeiter und Friedensvermittler, verbindet persönliche Erfahrung mit akribischer Recherche und schafft ein Werk, das gleichermaßen dokumentarisch wie reflektierend ist.

Auf über 400 Seiten schildert Rueda mehr als 500 dokumentierte Gewaltereignisse, die sich über Jahrzehnte hinweg in Santander ereigneten – von den Anfängen der marxistisch-leninistischen Guerilla in den 1960er Jahren bis zu den politischen und sozialen Umbrüchen der Gegenwart. Besonders bemerkenswert ist die ethische Haltung des Autors: Er verwendet Pseudonyme, um die Identität der Beteiligten zu schützen, und lädt Leserinnen und Leser zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein – nicht zur Verurteilung, sondern zur Verständigung.

Ein Kapitel des Buches hat in der Presse besondere Aufmerksamkeit erhalten: Es beleuchtet die vida clandestina von Gustavo Petro in Bucaramanga, als dieser in den 1980er Jahren als Mitglied der Guerilla M-19 im Untergrund lebte. Diese Episode ist nicht reißerisch dargestellt, sondern eingebettet in ein größeres Panorama politischer Bewegungen, ideologischer Kämpfe und persönlicher Entscheidungen. Damit bietet das Buch auch einen seltenen Einblick in die biografischen Hintergründe des heutigen Präsidenten Kolumbiens – jenseits offizieller Narrative.

Rebeldes en Santander ist kein einfaches Buch. Es fordert heraus, konfrontiert mit unbequemen Wahrheiten und öffnet zugleich Räume für Dialog und Versöhnung. Für alle, die sich für kolumbianische Geschichte, Friedensprozesse oder politische Biografien interessieren, ist es eine lohnende Lektüre. Und vielleicht bringt es tatsächlich etwas Abwechslung in den Forenalltag – nicht als Provokation, sondern als Einladung zur gemeinsamen Reflexion über Vergangenheit, Verantwortung und die Möglichkeit eines echten Friedens.

Titel: Rebeldes en Santander. El infierno de los conflictos armados
Autor: Wilson Rueda Ine
Erscheinungsjahr: 2025
Verlag: Editorial Universidad Cooperativa de Colombia
Seitenzahl: 400+
Genre: Zeitgeschichtliche Reportage / Soziale Aufarbeitung