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Amazonas - Amazon Bird LodgeWir treffen uns 17:00 Uhr auf der Terrasse der Amazon Bird Lodge. Otto und Colombia stellen eine Schüssel und eine Raspel auf den Tisch. Das angekündigte Farben-Ritual kann beginnen und wir ahnen noch nicht, was es damit auf sich haben wird.
Für Jeden ist eine Huito-Frucht vorgesehen, die wir jeweils selber bis zur Hälfte raspeln sollen. Das Ritual soll böse Geister fernhalten, reinigend und glücksbringend wirken. Genipa americana, geläufger angeblich als Huito oder Jagua bezeichnet, ist ein Gewächs, dessen eigentlicher heller Fruchtsaft nach Oxidation richtig dunkelblau wird und die Haut temporär Schwarz färbt. Das Ritual des indigenen Stammes Tikuna, in dessen Gebiet wir uns befinden, beinhaltet das Färben der gesamten Hände und Füße.
Wir haben das total unterschätzt. Ich hab mit „temporär“ gedacht, es handele sich um wenige Stunden. Dementsprechend unvorsichtig war ich beim Trocknungsvorgang an den Händen. Und schmierte mir die da noch recht helle Fruchtfeischpaste offensichtlich während des (schweißigen) Abends noch zusätzlich an Knie, Oberarm und Wange. Das allerdings hab ich erst am nächsten Morgen gesehen.
Was wir nicht wussten: Der Huito-Saft wird auch für temporäre Tattoos und Körperbemalungen genutzt. Auch abseits des Amazonas. Es lassen sich damit kurzlebige, in dieser Zeit aber nicht entfernbare, Zeichnungen auf die Haut aufbringen, die echten gestochenen Tattoos sehr ähnlich sehen (können). Wir haben es Otto nachgemacht und unsere Hände und Füße gut damit eingerieben. Von Mustern oder Vorsicht war nicht die Rede, die Indigenen reiben sich manchmal auch die kompletten Arme ein.
Der im oxidierten Saft enthaltene Wirkstoff Genipin geht mit den Eiweißen der obersten Hautschicht eine chemische Reaktion ein, färbt die Haut irreversibel Blauschwarz, was sich mit nichts abbekommen lässt. Bis es im Zuge der Erneuerung der obersten Hautschicht nach ca. 14 Tagen herausgewachsen ist. In braunroter Form kennt mans bei uns von Henna. Das aber lese ich erst, als wir zurück in der Zivilisation mit Internetempfang sind. Wir sind aber vor Ort, schwitzen, die Grillen zirpen. Otto und Colombia sagen, es wird so eine Woche halten. Das sollte doch reichen bis wir wieder zur Arbeit müssen. Vor allem Roland hat etwas Druck, kann er so in seiner weißen Arbeitskleidung kaum Patienten behandeln.

Nach 1-2 Tagen ist der Höhepunkt der chemischen Reaktion auch bei uns erreicht, unsere weiße Haut ist tief Dunkelblau und uns wird klar: Wir werden mit blauen Resten an den Händen zur Arbeit gehen…
Alle Teile der Pfanze beinhalten wirksame Substanzen, wirken febersenkend und entzündungshemmend und spielen in der indigenen Medizin daher eine große Rolle. Ganz abgesehen von der Verwendung als Schmuck von den verschiedensten indigenen Völkern des tropischen Amerikas.
Um hier noch den Humboldt-Kreis für mich zu schließen...

Spannend, wie sich nun mein eigener Blick darauf ändert, was mir auffällt. Wie oft habe ich in Reportagen über die indigenen Stämme Lateinamerikas genau diese Körperbemalungen gesehen?! So wird's also gemacht. Nur meist viel fligraner und ordentlicher als bei uns.
Noch schwärzer als der Huito-Saft ist die sehr starke, herbe Tabakpaste von Otto, die wir natürlich probieren, die aber nichts für uns ist.
Wir versuchen uns lieber an seinem grünen Koka-Pulver.
Ein Teelöffel voll kommt in die Wangentaschen, zergeht dort ganz langsam und fießt sozusagen den Rachen runter. Das Pulver mit dem Löffel bloß nicht zu weit in den Rachen geben oder zu stark atmen, sonst stäubts grün aus dem Mund. Die Pulverform ist traditionell für Kolumbien, während in Peru und Ecuador eher auf den Koka-Blättern rumgekaut wird. Es soll nicht nur bei Höhenkrankheit helfen (kann man oben in den Anden gut gebrauchen), sondern auch geistige Kraft und gleichzeitig Entspannung bringen. Es hinterlässt für eine Weile ein leicht taubes Gefühl im Mund.
Die Natur hält soviel Großartiges bereit. Es ist bereichernd in Gegenden zu kommen, wo diese Kräfte noch genutzt und immer weitergegeben werden.
Muchas gracias!





