Das Boot war gefüllt mit etwa 30 grauen Fischen mit einem „Kamm“ auf dem Rücken. Sie erinnerten mich an kleine Drachen und es tat mir bei allem Respekt vor der dortigen Kultur und der Notwendigkeit des Fischfangs zum Lebensunterhalt unendlich leid, wie die Tiere in der Pfütze im Todeskampf nach Luft schnappten. Als Vegetarierin eine harte Nuss, diesen Anblick ertragen zu müssen…
Es ging zunächst zum Tanken, ehe das Boot Kurs auf ein Holzgebäude zusteuerte, welches sich als unser erstes Hotel erwies. Keine Wände, nur offene Holzzäune, unglaublich schön, unglaublich sauber, und wir waren die einzigen Gäste!
Man half uns aus dem Boot und es gab zu meiner großen Freude bereits Kaffee MIT Milch satt. Alles EXTRA für uns beide. Juan mochte gar keinen, also eine Kanne für mich! Das eine von insgesamt zwei wandlosen Zimmern wurde uns zugeteilt, es gab dort drei Betten und ein eigenes Bad. Das Bad hatte eine Dusche und ein WC, aus welchem man in die Baumkronen schauen und Vögel hören sowie beobachten konnte. Die Inspektion fiel positiv aus, kein unangenehmes Getier oder irgendwas, worüber ich hätte nachdenken müssen. Noch nicht…
Strom gab es, wie uns gesagt wurde, von 18 bis 21 Uhr. Hängematten überall luden zum Entspannen ein, der Blick auf den Amazonas rundherum war beeindruckend.
Und hier hatte ich mein erstes Treffen mit einer kolumbianischen Schabe. Selbige saß in der von mir ausgewählten Hängematte, ich hatte vorher reingeschaut, ob „frei“ ist. Als sie mich sah, lief sie weg. Ich habe es nicht persönlich genommen, die Kleine aber beobachtet, wie sie im offenen Gebälk herumflitzte. Als ich sicher war, dass sie dort bleibt, legte ich mich gemütlich hinein.
Gegen drei wurden wir vom Besitzer des benachbarten Grundstückes zu einer Führung durch seinen Garten und zur Lotusblüte erwartet. Diese Führung war nicht inklusive, sondern der Mann und seine Familie betrachteten dies als zusätzliche Einnahmequelle. Die Auflage, nämlich die Pflege und Erhaltung der Fauna und Tierwelt dort war seine Auflage.
Vorbei an großen Urwaldbäumen ging es zu einem kleinen See, auf dem es Lotusblüten gab. Die Urwaldriesen beeindruckten mich sehr, zumal ich gehende Bäume immer als eine Erfindung Tolkins „Herr der Ringe“ gehalten hatte. Doch es gibt sie wirklich, die Liananbäume, die einen anderen Baum einschließen, töten und sich durch ständig neue, Wurzeln bildende Lianen tatsächlich von der Stelle bewegen und ausweiten bzw. wandern.
Ebenso sahen wir Bäume mit riesigen schmalen Wurzeln wie Scheiben, die einen trommelartigen Klang erzeugen, wenn man mit einem Stock dagegen schlägt. Diese Art der Kommunikation ist etwa 1,4 km weit hörbar, wenn ich das richtig erinnere, und die Anzahl der Schläge hatte verschiedene Bedeutung, wie z.Bsp. Hilfe beim Transport einer sehr großen Beute oder die Bekanntgabe des Aufenthaltes.
Am Fuß eines Baumes entdeckte ich eine Raupe, fingerdick und lang, mit rotem Schwanzende ansonsten schwarz – gelb gestreift. Auf meine Frage, was daraus wird, nannte man mir unterschiedliche Möglichkeiten, was mich erst verwirrte. Es könne eine Ameise werden oder eine Liane…. Jetzt habe ich verstanden: Energien gehen nicht verloren. Wird die übrigens giftige Raupe von einer Gruppe Ameisen abgeschleppt und verzehrt, wird sie eine Ameise. Verfängt sie sich in einer Liane und wird in diese „eingebaut“; wird sie zur Liane usw. Deshalb kann man nicht eindeutig sagen, was daraus wird.
Die Lotusblüte umgibt eine Sage. Eines Nachts stand eine junge indianerin am See und entdeckte entzückt das Spiegelbild des Mondes. Beim Versuch, diesen aufzuheben stürzte sie ins Wasser und ertrank. Ihr zu Ehren erschuf der Mond die schöne weiße Lotusblüte, die übrigens nur 25 Stunden blüht. Auf einem der etwa 1 meter Durchmesser großen Blätter sonnte sich ein junger Kaiman.
Die Finka des Mannes war wie aus einem Märchen, hellblau mit Veranda und kleinem Treppchen, verwunschen zwischen blühenden Büschen. Auch zwei Papageien lebten dort, die handzahm als Fotomodell dienten und sich auf die Schultern setzen ließen. Es gab interessante Früchte, die ich noch nie gesehen habe und Blumen von unvorstellbarer Schönheit, manche habe ich tatsächlich schon in einer deutschen Gärtnerei gesehen – in klein. Zwei Kinder spielten mit einem Hund barfuß im Garten, und ich gebe zu, dass ich für einen Moment dachte, nie im Leben würde ich das bei den sicherlich überall lauernden tödlich giftigen und aggressiven Spinnen tun… Ich habe meine Meinung mittlerweile überarbeitet.
Als buchstäbliches Highlight gab es die Besteigung eines kleinen Ausgucks, von wo aus alles nochmal im Ganzen gesehen werden konnte. Anschließend saßen wir mit dem Besitzer noch ein Weilchen auf einer der beiden Bänke am Amazonasufer, die Mücken waren noch nicht alle da. Ich hatte aber schnell auf der anderen Bank ein dickes verwobenes Spinnengeflecht entdeckt und sah mich leicht beunruhigt auf unserer Bank um….
Nun war die nette Führung zu Ende. Juan hatte sich bemüht, das Wichtigste zu übersetzen, von dem Gespräch über Lebensumstände und Politik habe ich allerdings nur Bruchstücke mitbekommen. Viele Menschen in dieser Region können weder lesen noch schreiben, da sie als Kinder statt in die Schule zu gehen Drogen schmuggeln mussten. Die Drogen wurden über den Amazonas nach Brasilien gebracht, ist ja gleich gegenüber(…), bei Nacht und Nebel. Ich hätte das abgesehen davon, dass ich NIEMALS nachts und schon gar nicht ohne Licht durch den Urwald gegangen wäre (bis dahin…) wegen der Krokodile und Piranhas nie getan…wahrscheinlich…oder nur und wenn überhaupt gegen sehr sehr viel Geld….was die Kinder natürlich nicht bekommen haben. Ich weiß nun auch, dass die Renten in Brasilien deutlich üppiger sind als in Kolumbien, manche Ehen bestehen aus Kolumbianern und Brasilianern. Wie gesagt, vielleicht hat Juan sich beim einen oder anderen nicht ganz korrekt ausgedrückt oder ich hab etwas nicht verstanden, aber ich bin der Ansicht, dies hier so schreiben zu können.
Nach dem Abschied ging es wieder über zwei Holzbretter zurück zu unserem Hotel oder Hostel…
Das Abendbrotbuffet, extra für uns beide, war ausreichend und lecker, rundum fühlten wir uns wohl. In der Zwischenzeit hatte ich mich auf den abendlich um Punkt sechs erwarteten Überfall sämtlicher Moskitos, Gnitzen und Mücken des Amazonasgebietes vorbereitet und trug meine extra bestellte Sicherheitskleidung mit Ausnahme des Hutes. Zusätzlich war ich eingecremt und eingesprüht mit Repellent und hatte außerdem einen weißen Belag der Nobitex- Seife (oder so) auf der Haut , was manchen Tierchen jedoch wenig Respekt einflößte. Was tut man nicht alles für ein europäisches Leckerchen

Deshalb entschied ich mich, ins Bett zu gehen. Juan dagegen unterhielt sich noch lange mit dem ausgesprochen netten Verwalter über Politik und Lebensumstände, was mich auch interessierte, aber ich wollte das Gespräch nicht anstrengender machen als es aufgrund der Sprache und des Akzentes selbst für Juan war, und ich wollte auch nicht dauernd nachfragen und unterbrechen. Ich packte alle mir wichtigen Dinge wie Repellent, Taschenlampe, Tagebuch etc mit unter mein Moskitonetz. Während ein dicker schwarzer Käfer von außen an meinem Netz hochkrabbelte, fühlte ich mich sicher und schlief.
Bis kurz nach Mitternacht.
Fortsetzung folgt.