Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Hier könnt Ihr Eure Reiseberichte & Erfahrungen veröffentlichen. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen.

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gabneu
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von gabneu »

Hola, nachdem mein Mann (71) schon vor 6 Wochen dem verhassten Winter in D entflohen ist, bin ich (w/68) jetzt auch für die nächsten 3 Monate hier in Medellín. Wir haben eine Langzeitferienwohnung in einem privaten Wohnkomplex in El Poblado, ganz nahe des Einkaufspalastes Santa Fé. Die Lage ist optimal, alle Verkehrsanbindungen und Einkaufsmöglichkeiten sind da, und wir sind in diesem Haus wohl die einzigen Fremden.

Die Anreise von Zürich mit 5 1/2 Stunden Zwischenstopp in Madrid und mit Avianca nach Medellín war noch verkraftbar, zumal der Asiento Plus mit größerer Beinfreiheit angenehm war. In der Schlange an der Migración in Medellín verbrachte ich 1 3/4 Stunden, weil kurz vorher noch ein weiterer Flieger gelandet war.

Nun ja, ist von Vorteil, wenn man noch was zum Trinken dabei hat. Auf meine Frage, ob der check mig noch erforderlich sei (hatte ihn vorsorglich gemacht und das PDF sogar ausgedruckt), antwortete der Beamte, dass es nicht mehr obligatorisch sei, aber schneller gehe, wenn man es gemacht hat. Ich bekam auch sofort meine 90 Tage in den Pass gestempelt. Nach dem Abholen des Koffers und problemlosen Zolldurchgang erwartete mich mein Mann und wir fuhren mit dem Flughafenzubringerbus für 15.500 cop pro Person bis Exposiciones (Taxi hätte 110.000 gekostet) und dann weiter mit einem Taxi für 20.000 nach El Poblado. Klar, dass gleich nach dem Aussteigen aus dem Bus einer dieser schmuddeligen "Taxieinweiser" bereit stand, aber was solls, ein paar Münzen fürs Koffer einladen tun nicht weh.

Wir waren schon mehrmals in Colombia und beobachten immer wieder erstaunt, womit die Menschen sich was verdienen. Besser als betteln allemal.
Der erste Gang am nächsten Morgen war der Kauf einer tarjeta prepago im Claro Laden im Santa Fé. 41.500 cop für 30 Tage todo incluido, die eingeschweißte Passkopie reicht aus für die Registrierung und die Karte wird eingelegt und freigeschaltet. Wir spazieren durch El Pablado und dieses saubere Viertel mit dem vielen Grün erfreut einem immer wieder.

Wir nehmen einen Bus nach Envigado - Fahrpreis 3.400 ggü. 3.200 pro Person im Vorjahr. Der Fahrer lässt manchmal ärmere Leute hinten einsteigen, damit das Drehkreuz vorne nicht zählt, und bekommt ein niedrigeres Fahrgeld (auf eig. Kasse?), das kann man regelmäßig beobachten. Und beim Aussteigen sagt jeder Fahrgast gracias und der Fahrer antwortet mit con gusto. Diese Höflichkeit der Kolumbianer ist beeindruckend.

In Envigado, einem der 10 municipios des Valle Aburrá, gehen wir die Fußgängerzone entlang bis zum plaza mit dem Weihnachtsmarkt, der so gar nichts mit unseren in D zu tun hat. Es gibt keinen Glühwein, alle sind kurzärmlig unterwegs, ein Spektakel von blinkenden bunten Lichtern, die offene gut besuchte Kirche, und ganz wichtig in Kolumbien: unzählige Essensstände, die Verkäufer tragen fast alle Mundschutz und alles ist sehr sauber. Maduro con queso y sirop papaya (gebackene Banane mit Käse und Sirup) für 10.000, dann noch Mangostücke mit Limone und Salz für 5.000, sehr lecker. Später nahmen wir in einer Bar im Freien noch ein paar Cervezas zu 5.000 zu uns, und bekamen Tellerchen mit Popcorn und Knabberzeug dazu. Die Leute waren ausgelassen, die Musik laut und es wurde getanzt, die Frauen mit ihren wundervoll beweglichen Hüften.

Mit dem Bus zurück und so endeten schon die ersten schönen Erlebnisse.

Ich hoffe, es ist nicht zu viel Text. Lasst es mich wissen, ob ich weiterschreiben soll.

Hasta la próxima vez.
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Eisbaer
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von Eisbaer »

Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Wir im Forum freuen uns sehr über weitere Beiträge zu Deinem Aufenthalt in Medellín und Umgebung.
Ich wünsche Dir eine wunderbare Zeit in Medellín!
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Benjamin
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von Benjamin »

Danke für die Eindrücke von den besuchten Orten. Ich freue mich auf die Fortsetzung.
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Chévere
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von Chévere »

Danke für deinen Bericht, der mir doch aufzeigt, dass ich keinen Fehler mache und nächstes Jahr das selbe anfange zu machen. Halbes Jahr hier in den Sommermonaten und ein halbes Jahr in in Kolumbien in der kalten Zeit.
Chévere
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Holger78
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Beitrag von Holger78 »

Danke für diese schönen Eindrücke von dir in Medellin. Ich würde sehr gerne noch mehr davon lesen.

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gabneu
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von gabneu »

Bereits 1 Woche in diesem herrlichen Klima und ganz viele Eindrücke.

Am Mittwoch fuhren wir mit der Metro nach Bello, einem weiteren Municipio, was man eher als ärmlich bezeichnen mag. Die Fußgängerzone hãngt voll mit grünweißen Fahnen und Luftballons, denn Atlético Nacional wird sein 1. Match gegen Tolima absolvieren (und dann 1:1 spielen). Ein Bier in einem der vielen Cafés gibt es für 5.000, 2 ältere Männer am Nebentisch haben ihre Rucksäcke voll mit Armbanduhren, ihre 2 Tischgenossen lassen sich aber nicht zum Kauf bewegen. Mehr Glück hat der mit den Heiligenbildchen, denn eine Frau ersteht eines, welches sie ehrfürchtig betrachtet und den Spruch liest. Ihr Ehemann schaut eher unbeteiligt drein. Der mit den caramelos geht leer aus. Wir ziehen weiter und nehmen die Metro bis Industriales, steigen um in den elektrischen Metrobus der Linie 1 bis Plaza Mayor, denn am Río Medellín wollen wir erstmal bei Tageslicht die Beleuchtungsinstallationen anschauen. Hundertschaften von Poliisten sind schon anwesend, vertreiben sich bis zum Einsatz die Zeit mit Essen und süßer Limo und ihren Handys. Die Essensstände machen erst um 18.00 Uhr auf, sie stehen entlang einer unbefestigten Strecke und es gibt keinerlei Sitzmöglichkeiten, die Preise auch nicht gerade günstig. Gemäß dem diesjährigen Motto Pesebre de luz erstrahlen und blinken in vielen Farben ab 18.00 Uhr die Figuren, das Publikum ist von den Wasserspielen und den kostümierten Gauklern voll begeistert. Wir fühlen uns sicher und genießen sehr die entspannte Stimmung.

Am nächsten Tag auf ins chaotische Getümmel im Centro. Das muss man gesehen haben, tausende Karren mit Obst, welches per Megaphon angepriesen wird, Millionen von Schuhen, T Shirts, Handyhüllen usw. Es ist laut, eng, schmutzig, riecht nach Gras ...Aber an der Metrostation San Antonio gibt es für 3.500 richtig leckere frisch fritierte Empanadas mit allen möglichen Soßen - die Zutatenliste will ich nicht wissen und dass jeder die Soße auf sein angebissenes Empanada streicht - was solls. Ich gehe ins Museo de Antioquia, zahle immerhin 40.000 an Eintritt, denn die Bilder und gestiftete Kunstsammlung von Botero will ich sehen. Es gibt sogar eine Abteilung, die den Einfluss der katholischen Kirche auf die Gesellschaft recht kritisch betrachtet. Mein Mann vertreibt sich derweil die Zeit in den Lokalitäten. Am Parque San Antonio, wo die beiden Taubenskulpturen von Botero als Wahrzeichen zum Frieden aufrufen und an die 23 Opfer des Bombenanschlags von 1995 erinnern, sind in den 10 Brückenpfeilern lauter Bierkioske utergebracht. Bier in 1 Literflaschen wird für 9.000 serviert, die ohrenbetäubende Musik aus den Lautsprechern gibts gratis dazu. Ein Händler mit seinem rollenden Kiosk steht direkt am Zebrastreifen und macht sein Geschäft mit dem Verkauf einzelner Zigaretten. Die vorbeikommenden Anbieter von Bonbons, Hüten, Strümpfen haben bei uns heute keinen Erfolg und wir wollen uns in dieser Gegend beileibe nicht so lange aufhalten, so dass wir noch vor 20:00 Uhr den Bus nach Hause nehmen.

Ich werde weiter berichten und wünsche allen ein friedliches Weihnachtsfest. Hier in der Wohnanlage ist im Hof eine riesige Krippe aufgestellt und es wird ein Gottesdienst gefeiert.

Benjamin
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von Benjamin »

Danke für die Fortsetzung. Ich freue mich sehr, dass es dir und deinem Mann gut geht. Hoffentlich bleibt es heute leise bei euch. Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht. Ein paar kleine Fotos, z.B. von den vorbeikommenden ambulanten Verkäufern, fände ich gut, um das zu untermalen.

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gabneu
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von gabneu »

@Benjamin: Danke für die Rückmeldung. Mit Fotos ist das für mich eine Gewissensfrage. Menschen fotografiere ich normalerweise nur mit deren Einverständnis und wenn ja, dann stelle ich sie nicht ins Netz. Ich weiß auch gar nicht, ob das hier im Forum überhaupt erwünscht ist.
Mit der leisen Nacht hast du wohl schon gewusst, was hier so abgeht ;-) Böller und Schüsse bis zum Morgengrauen sind anscheinend Brauch.

Das Wochenende davor verbrachten wir mit Hausarbeit, Fußball schauen und weiteren Ausflügen. Die 16kg Waschmaschine ist eine kleine Herausforderung, aber angesichts dieser riesigen Bettbezüge und Laken, wirklich notwendig. Es gibt ganz viele Waschprogramme, aber alle sind kalt, nur ein einziges läuft mit heißem Wasser. Das läuft dann aus der Gastherme rein. Es ist wirklich sehr heiß und ich habe Bedenken, da die ganze Bettwäsche ein Fasergemisch ist und nur 30 Grad empfohlen werden. Ich habe dann noch ein paar Liter kaltes Wasser dazugegeben, so ein Topplader ist schon praktisch.

Den deutschen Fußball konnten wir mit VPN und Sky go auf dem Laptop vía HDMI Kabel am TV anschauen. Das Endspiel um die kolumbianische LigaMeisterschaft sahen wir im Freien auf der Terrasse des EURO in Envigado. Eine tolle ausgelassene und friedliche Stimmung, das Bier vom Fass kalt (Club Colombia 0,5 l im Angebot für 1.500 !), Aguardiente und Ron wurde zuvor im EUROSupermarkt gekauft und Essen gibt es auch sehr preiswert. Natürlich jubelten wir mit den Grünen und bekamen etliche Aguardientes angeboten. 24% Alkoholgehalt kann

Wir benutzen hier Bus und Metro. Die Verbindungen ermitteln wir in der Moovits App und in der Movilixa für die Metro. Es gibt gelbe, weiße, rotgestreifte, hellgrüne und dunkelgrüne Busse. Und an der Frontscheibe sind die Ziele angebracht. Man muss die schnell lesen, um dann dem Busfahrer per Handzeichen zu signalisieren, dass man mitfahren möchte. Da aber mein Mann schon 6 Wochen hier ist, konnte er ausreichend Erfahrung sammeln. Der Ausdruck "Rumpelbus", den @gordito gern benutzt, ist absolut zutreffend, vor allem wenn man ganz hinten sitzt.

Wir fuhren nach Sabaneta (45 min. Fahrtzeit, Ziel Mayorca), Laureles, Los Balsos, Envigado. Im Parque Sabaneta ist für uns das schönste Weihnachtstreiben. Die Beleuchtung ist gigantisch, aber geschmackvoll mit Häuschen zwischen den Blumenbeeten und unzähligen Essensständen. Hier bekommen wir die besten Chorizos, da knorpelfrei, 2 Stueck in Scheiben geschnitten für zus. 10.000 und eine Cerveza für 5.000, außerdem werden Plastikhocker hingestellt. Noch eine Einkehr in dem Lokal mit den bequemen Holzstühlen, wo am Nachbartisch sich 3 Frauen eine Flasche Baileys schmecken lassen. Überhaupt gefällt mir sehr, dass man auch Frauen beim Biertrinken sieht.

In Laureles ist es auf der Hauptmeile weniger gemütlich. Gefühlt 1000 Bars, und jede hat ihre eigene drõhnende Musik laufen. Das Publikum ist nicht unsere Altersklasse, wenn wir nochmals herkommen,.nehmen wir uns eine andere Gegend vor.
Am Sonntag ist Ciclovía und die Cra. 43 a hier in El Poblado über mehrere Kilometer einseitig für Autos gesperrt und daher voll mit Joggern, Radfahrern, Kinderwagen, Hundeausführern. Ein Radfahrer rempelt einen Jogger an, dem fällt sin Handy aus der Hand, welches vom nachfolgenden Radfahrer mit Vorder- und Hinterreifen überfahren wird. Großes Palaver, keiner fühlt sich schuldig, man zieht weiter. Auf dem mercado campesino bieten sie frische Säfte, mal einen guten Kaffee, Selbstgebackenes und andere leckere Spezialitäten an.

Oben in Los Balsos hatten wir letztes Jahr eine Ferienwohnung, die Gegend gefiel uns aber mit dem steilen Anstieg und der abseitigen Lage nicht so gut. Sind jetzt nochmal hochgefahren bis auf 1.900 m Höhe und dann runter gelaufen. Die Wohngegend ist exclusiv, die Gehwege sehr gepflegt, private Schulen vorhanden, die Preise in der Mall del este auf entsprechend höherem Niveau.

Wir freuen uns auf Weihnachten, mal ohne Einkaufsstress, ohne dicke Klamotten, ohne Baum oder Deko in der Wohnung.
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Eisbaer
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von Eisbaer »

Vielen Dank für die spannende Fortsetzung Deiner Reiseerlebnisse. Gerne kannst Du Deine Berichte mit authentischen Fotos untermalen. Wenn darauf ein Gesicht zu sehen ist, kannst Du es verpixeln. Wie Du sie ins Forum stellen kannst, erfährst Du in diesem ⇨ Thema.
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Holger78
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von Holger78 »

Ein sehr schöner Bericht. Danke Dir

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gabneu
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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von gabneu »

Habe leider das Speichern vergessen und schwupps war alles weg, weil beim Senden gerade kein Internet vorhanden war. Nun versuche ich es erneut.

Zwischenzeitlich konnten wir das Gesundheitssystem persönlich erleben.
Da ich in D keinen Termin beim Zahnarzt bekommen konnte, vereinbarte mir eine kolumb. Freundin am 23.12. einen bei ihrem. Schon am 24.12. saß ich auf dem Stuhl. Zahnreinigung 50.000, Röntgen 24.000, alte Zahnspange entfernen und neue einsetzen für 320.000. Ha, die Flugkosten haben sich schon bezahlt gemacht und es ist eine erstklassige Arbeit. Unterdessen wurde mein Mann Stammgast in der Bar neben dem Mercado.
Und er stürzte im Bad und hatte eine klaffende Wunde am Hinterkopf. Und das an einem Wochenende! Nach Recherchen stießen wir auf die Notfallambulanz der privat geführten Clinica Las Vegas, die wir zu Fuß erreichen konnten. Dort führte uns der sehr freundliche Mundschutzverkäufer gleich an den Automaten für die Wartenummer. 2 Stunden später und mit 10 Nahtstichen versehen verließen wir nach einer Zahlung von 314.000 cop das Gebäude. Die zuvor gestellte Kaution von 4.000.000 wurde auch gleich der Kreditkarte wieder gutgeschrieben. Service, Ablauf, Mitarbeiter, Qualität: Note sehr gut.

Ansonsten stehen an den Wochenenden/Feiertagen Besuche von parques oder miradores auf dem Plan. Also auf zum Parque de los pies descalzos, der so wunderschön sein soll. Wir sehen Wasserspiele, Picknick- und Spielplätze, Brunnen, Spazierwege. Der Bambushain ist real viel kleiner als in den You tubes dargestellt. Alles ganz nett, aber überschaubar und barfuß wollte ich hier wirklich nicht unterwegs sein.

Wir wollten auch hoch zum Cristo del Picacho, aber am Sonntag sind die Kabelbahnen der Linie P nicht in Betrieb. Also nehmen wir den Cristo Salvador, der laut einem Fernsehbericht auf dem Balcón de Medellín steht. Mit der auf einer Schiene fahrenden Metrolinie T-A ist er zu erreichen. In Bicentenario steigen wir aus und gehen 800 m hinauf durch die sauberen Straßen, wenn auch jede 2. Versorgungsschachtabdeckung offen-sichtlich einem anderen Verwendungszweck zugeführt wurde. Schon von weitem hören wir laute Musik aus Riesenlautsprechern. Die stehen an einem staubigen Fußballplatz, wo Kinder ein Fußballturnier austragen, die Väter davor in Bayerntrikots und die Mütter beim Essen vorbereiten. Oben breitet ein schöner Cristo seine Arme aus, aber voll belaubte Bäume versperren die gelobte Aussicht aufs Centro. Ein kleine Umrundung, free W-Lan-Zone, weihnachtliche Deko, das wars dann schon. Unten nehmen wir die Bahn weiter bis zur Endstation Oriente in Buenos Aires. Es gibt jedoch keine einladenden Kneipen, so gehen wir die Schienen entlang weiter hinunter, vorbei an bunt bemalten oder mit großen Mosaiken verzierten Wänden. Auch allerlei Motorräder nutzen die freie Strecke, bis die Bahnlinie durch die Ortsmitte führt und links und rechts von Restaurants gesäumt wird.

Ein weiteres Ziel ist der Parque San Blas in Manrique. Der sieht in Maps sehr weitläufig aus. Es geht recht steil nach oben, die 1,5 km lange Strecke im Bus ist verdammt holprig, ich habe Mühe beim Festhalten, insbesondere in engen Kurven. Busse kommen wegen parkender Autos nicht aneinander vorbei. Während unserer rückwärts den Berg hinunter ausweicht, wird er munter von Motos und Taxis überholt. Die Motos haben hier in dieser helmfreien Zone klar das Sagen. Nach dem Ausstieg sind es immer noch 800 m. Wir fragen eine Frau nach dem Weg zum Park, sie schaut uns etwas ungläubig an. Es gibt unzählige Motorradwerkstätten und -waschplätze und sehr viele Läden, Fruvers, Werkstätten, Tattoo-Läden. Am Parque befindet sich eine Polizeistation, aber auch Matsch, Müll, Hundekot... Das lassen wir mal besser sein und machen lieber einen Trinkstopp in einer Bar.,von wo aus man das Treiben gesichert beobachten kann. Wir sehen Busse mit Ziel "centro". Die Fahrt geht durch das ganze Viertel, wir sehen einen Mann, der seinen nackten Oberkörper einseift und vom Regen abspülen lässt und passieren einen See mit Blick auf die bunten Häuser. Da müssen wir nochmals hin, denn dafür ist Manrique bekannt.

Je mehr wir uns dem Centro nähern, desto mehr sieht man die Schattenseite Kolumbiens. In den Grünstreifen zwischen den Fahrbahnen liegen neben Müllbergen Gestalten herum. Eine fette Ratte huscht umher, macht kurz Halt an einer davon, die gerade ihren Junkschlaf hält und rennt weiter. Unter den Straßenbrücken und insbes. in der Gegend des Mercado Minorista hocken unzählige "Outlaws', die sich ihren Stoff anmischen und reinziehen, sogar am Straßenrand völlig ungeniert. In Manrique sahen wir auch zerlumpte Bettler, aber die Bewohner geben kein Geld, eher was zum Essen.

Fortsetzung folgt.

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Reiseerfahrung: Drei Monate Medellín

Beitrag von gabneu »

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In Manrique beherrschen die Motos den Verkehr.
Kein gutes Terrain für Inliner.

Benjamin
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Beitrag von Benjamin »

Vielen Dank für die interessante Fortsetzung Deines Reiseberichts und vielen Dank auch für die Fotos, die Deiner schönen Erzählung noch ein wenig mehr Leben eingehaucht haben.

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gabneu
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Beitrag von gabneu »

Was für ein tolles Leben!. Keine dicken Klamotten im Zwiebellook und das übliche Haushaltsbudget eines Monats ist noch lange nicht aufgebraucht. Da mein Mann ja schon 6 Wochen länger in Medellín weilt, hat er gleich zum Jahresbeginn seine Aufenthaltsverlängerung auf 180 Tage beantragt. Der elektronische Antrag meldete Probleme mit den Captchas - erst beim 5. Versuch wurde die Bestätigungsnr. angezeigt. Daraufhin kamen 5 Emails mit Eingangsbestätigungen und am nächsten Tag nochmals 2 mit dem Hinweis, dass Pass und Stempel nicht leserlich seien. So ließen wir in einem Copyshop einen Scan auf einen Stick machen, gerade mal 700 Kb. Beim Nachreichen an Migración Colombia ein kleines Hindernis: Max. 200 Kb erlaubt. Grrrhhh... nochmals verkleinert auf 224, es ging durch und schon am nächsten Tag war die Verlängerung im Postfach.

Nun zieht es uns nach Caldas, dem südlichsten Municipio auf 1.750 m Höhe. Ein überraschend schöner Ort mit Fußgängerzone, sehr vielen Kneipen und Läden aller Art. Teils noch hübsche alte Häuschen und insgesamt recht sauber, wenn auch die Gehwege von Haus zu Haus ein ständiges Auf und Ab sind. Der Verkehr ist nicht ganz so aggressiv, man kann gut die Straßen überqueren. Im Parque steht die schönste Weihnachtskrippe, die ich jemals gesehen habe: in Kreisform gebaut, mit ganz viel Liebe zum Detail und sich bewegenden Figuren. Leider treibt uns ein starker Regenschauer weiter.

Bild

Auf dem Rückweg machen wir Halt in Envigado, um diesem neuen schwedischen Möbelhaus einen Besuch abzustatten. Es ist sehr leicht über eine mehrere 100m lange Fußgängerbrücke zu erreichen. Drinnen sieht es aus wie in D, gleiches Sortiment und gleiche Preise, nur die Bettwaren werden in diesen kolumbianischen Überbreiten angeboten.

Natürlich zieht es uns auch hoch zum Pueblito Paisa auf dem Cerro Nutibara, die 272 Stufen lohnen sich. Leider ist die oberste Plattform nicht mehr zugänglich. Die Bänkelsänger in ihrer Paisa-Tracht fragen die Zuschauer nach ihrer Herkunft und haben für jede Nation ein paar Strophen im Repertoire. Klar, ist touristisch, aber trotzdem schön, alle sind begeistert. Nach dem Abstieg gehen wir 2 km zu Fuß zum nationalen Flughafen EOH. Hier starten und landen Propellermaschinen hauptsächlich von Clic und Satena, was wir vom Zaun aus relativ nah beobachten können. Auf dem Weg dorthin passieren wir ein größeres Handwerkergebiet. Man muss aufpassen, überall werden lange Eisenstangen getragen und verladen. Auch sitzen wieder etliche Gestalten rum. Ich traue mich nicht, mein Handy herauszuholen, aber niemand belästigt uns. Zwei ganz ausgemergelte Frauen hocken am Straßenrand, eine klaubt sich ein Stanniolpapier vom Boden - zumindest wird das Teufelszeug nicht gespritzt.

Wirklich sehenswert ist El Castillo. Wir wohnten letztes Jahr oben in Los Balsos, kamen aber nicht auf die Idee, diese Kleinod zu besichtigen. Im Eintrittspreis von 27.000 cop pro Person ist eine einstündige Führung enthalten, ohne die man das Innere gar nicht besichtigen kann. Leider sprach der Führer extrem schnell und trug dazu noch einen Mundschutz, Im Eiltempo ging es durch die einzelnen Räume, nur an manchen Stellen durfte man auf Balkonen außen fotografieren. Und dann wurde mir auf einmal klar, warum in der Gruppe so viele Frauen so gut gekleidet und herausgeputzt waren - Handys, Fotoapparate, Selfies, Posen... Aber der Besuch lohnt sich, diese angehäuften Kunstschätze hauptsächlich aus Europa bekommt man sonst gar nicht so barrierefrei ausgestellt zu Gesicht. Aufgrund eines gewaltigen Regens wollten wir die Gartenanlage nicht durchlaufen und setzten uns in die Cafeteria, wo wir wohl das wärmste Bier in ganz Kolumbien bekamen. Wir werden dennoch nochmals herkommen, um auch den wunderschönen Garten zu durchstreifen.

Benjamin
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Danke! Macht Spass zu lesen.

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