Eine Reise nach Caño Cristales

Unbeschreiblich schöne Reisen. Hier teilt Euch Renato seine Erfahrungen mit. Absolut Lesenswert!
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Renato
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Eine Reise nach Caño Cristales

Beitrag von Renato »

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Die Reise beginnt um 6 Uhr Morgens am umtriebigen Busterminal von Bogota. Per Kleintransport geht es hinaus aus dieser Millionenstadt. Die Straßen sind, so wie es sich für jeden Morgen gehört, hoffnungslos verstopft. Der Fahrer erkämpft sich seinen Weg durch die Masse von anderen Kleinbussen, welche die Pendler zu Ihrer Arbeit bringen. Jeden Morgen beginnt das Chaos von neuem.

Endlich sind wir im Tunnel, wir wissen, hinter dem Tunnel beginnt der Abstieg Richtung Villavicencio, die Hauptstadt der Provinz Meta und der Ausgangspunkt für so manche Expedition in die Llanos. Wir haben das trübe und stickige Bogota hinter uns gelassen. Die Abfahrt ist spektakulär, doch immer wieder sehen wir Kreuze, welche auf die vielen Unfälle aufmerksam machen. Wir hoffen, wir kommen gesund in Villavicencio an.

Am kleinen Flughafen tummeln sich viele Menschen, ein jeder scheint irgend eine Aufgabe zu haben, welche ist für uns nicht klar erkennbar. Die Piloten sitzen da, rauchen Zigaretten und trinken Kaffee. Piloten? Ich denke ja, haben doch alle eine heraus geputzte Uniform an und spiegelglatte, runde Sonnenbrillen die irgendwie aufschneiderisch daher kommen.

Wir sind bereits in einer kleinen Garageneinfahrt heftigst damit beschäftigt unser Gepäck abzugeben. Per Schubkarre wird das Gepäck Richtung Startbahn gekarrt. Für uns ist das ganze aber nicht so einfach, es geht in das Hauptgebäude des Flughafens. Dort gönnen wir uns noch einen letzten Kaffee. Wir werden durch ein Metalldetektor gelotst und nehmen erst einmal Platz. Wie im großen Flughafen.
Ein paar Minuten später beginnt das Abenteuer auch schon. Eine kleine Cesna mit einem rundlichen, eher kleinen Piloten wartet auf uns. Der Pilot lächelt, so wie es sich für ein Kolumbianer gehört, und instruiert uns auch schon. Von wo wir denn seien? Ach so, gut. Die Cessna ist klein und der Platz ist eng. Meine 2 Mitreisenden sitzen zusammen gepfercht auf der hinteren Bank. Ich habe die Ehre, vorne, gleich neben dem Piloten Platz zu nehmen. Ein letztes Funkgespräch mit dem Tower des kleinen Flughafens und los geht es. Langsam schiebt sich die Maschine zur Startbahn, beschleunigt und schon beginnt das Abenteuer. Alles wird kleiner und kleiner.

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Während dem Flug herrscht Stille. Respektvolle Stille. Wir staunen und unsere Augen wandern den endlos langen Flüssen entlang. Grüne Matten, Flüsse, dann hie und da wieder ein Feuer einer Ölraffinerie. Auf einmal ziehen Wolken auf, wir halten direkt drauf. Ein Gewitterfront kommt auf uns zu. Ich lächle den Piloten respektvoll an und er liest meinen Augen ab, was denn wohl meine Frage sei. "Tranquillo", meint er. Und schon bald prasseln die dicken Regentropfen auf die Scheibe der Cesna. Kein Problem, meint er nochmals. Es rüttelt und schaukelt. Ich bete, dass dies bald vorbei sei.

Der Flughafen des Dorfes La Macarena wirkt gespenstisch. Ein paar vor sich hin rostende DC 3 Transporter stehen kreuz und quer über den Flughafen. Überall Militär. Diese begrüßen uns freundlich. Auf der anderen Seite des Flughafens ist eine große Militärbasis stationiert. Von hier aus koordiniert das kolumbianische Militär wichtige Operationen in der Gegend. Teile der "Sierra de la Macarena" sind nach wie vor Guerilla Gebiet. Im September wurde ein Anführer der FARC "Mono Jojoy" auf der anderen Seite der "Sierra de la Macarena", in der Nähe von "La Uribe" lokalisiert und getötet. Wir haben deshalb durchaus einen gewissen Respekt von der Region. Am Morgen noch in Bogota, jetzt schon im Wilden Westen, welch Unterschied.

Wir besorgen Proviant und ein paar Flaschen Caldas Rum. Dann machen wir uns zum Fluss auf. Dort erwartet uns einmal mehr das Militär und schreibt unsere Daten auf. Patrouillen-Boote mit großen Schnellfeuerwaffen sehen wir auf der anderen Seite. Es beginnt zu regnen, doch die hohen Temperaturen lassen den Regen förmlich verdampfen. Es ist heiss, verdammt heiss. Das T-Shirt klebt auf der feuchten Haut. Alles dampft. Der Boden ist schlammig, es scheint hier oft zu regnen. Eine seltsame Stimmung kommt auf. Alles wirkt so ruhig und friedlich, doch trotzdem sehen wir überall schwer bewaffnete Militärs.

Über eine sandige Piste erreichen wir eine äußerst einfache Finca. 2 oder 3 Menschen begrüßen uns. Eine alte, gebrechliche Frau. Dazu ein alter, lachender Mann mit dem typischen Sombrero. In einer Scheune installieren wir die Hängematten. Hier werden wir die nächsten 2 Nächte verbringen. Pferde und Kühe stehen hinter dem Haus und strahlen eine gewisse Ruhe aus.

Am Abend gibt es immer das gleiche zu Essen. Zähe "Gallina", dazu ein paar Kartoffeln und Limonade. Um 20:00 schlafen wir auch schon ein. Herrliche Träume erwarten uns, in einer Hängematte irgendwo in den Llanos. Alles scheint hier so groß. Der Mensch scheint viel freier als in einer Großstadt. Warum lebe ich bloß in Bogota, frage ich mich? Unglaublich diese Einsamkeit, die man hier spürt. Irgendwo auf dem Feld, bei einer verlassenen Finca.

Früh geht es los am nächsten Tag. Um 6 Uhr sehen wir schon die ersten Militärs, die lachend Ihre Stiefel putzen und Kaffee von der Finca trinken. Nach einem äußerst einfachen Frühstück (Arepas) geht es los.

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Wir marschieren Richtung Caño Cristales, dem inoffiziell schönsten Fluss der Welt. Felsen da und Wasser dort. Ganz abstrakte Felsformationen. Dann auf einmal wieder natürliche "Schwimmbäder" die zum baden einladen. Wir laufen stundenlang durch die Landschaft, auf der Suche nach dem perfekten Foto. Unglaublich diese Schönheit der Natur, unglaublich diese Vielfalt an Farben und an Pflanzen. Stunden vergehen, wir sind wie gefangen von dieser Traumwelt. Welch ein Wunder hat der Schöpfer unseres Planeten hier vollbracht. Welch Gegensätzlichkeit, welch abstrakte Schönheit.

Hie und da ziehen wir das durchgeschwitzte T-Shirt aus und springen ins erfrischende Wasser. Auf einmal sehen wir Kampfanzüge. Uns stockt der Atem. Doch siehe da, es sind kindlich aussehende, überaus freundliche Militärs die uns nett begrüßen. Ich suche das Gespräch mit Ihnen, wo denn die Guerilla sei. Sie meinen, ca. 1 Tagesmarsch entfernt wäre Guerilla. Caño Cristales, eine immer bekannter werdende Tourismusdestination, sei aber hermetisch abgeschirmt. Die Militärs sind jung und spassen rum, welch absurder Krieg, denke ich.

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Die nächsten 48 Stunden genießen wir, wie wir nur können. Wir schießen unzählige Fotos, baden da und dort. Trinken beim eindunkeln unsere mitgebrachten, warmen Rumflaschen mit warmem Cola. Dies hilft, tief und träumend einzuschlafen.

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Am 3 Tag unserer Expedition brechen wir auf und verlassen die Finca. Nach einem warmen Händedruck laufen wir los. Schon bald erreichen wir wieder das Boot, welches auf uns wartet und welches uns nach La Macarena zurück bringt. Es ist ca. 16 Uhr, die letzte Nacht verbringen wir hier im Dorf.

Für mich ist das faszinierende einer Neuentdeckung nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen. Keine 30 Minuten verbringen wir in unseren einfachen Zimmern, schon sitzen wir bei kühlem Poker Bier an der Hauptstrasse. In La Macarena ist der offizielle Ruhetag der Mittwoch und nicht der Sonntag. Heute ist Mittwoch. Die Bauern aus der Umgebung spielen Billiard und trinken Bier, später auch Aguardiente.

Unsere lokale Reisebegleiterin, eine ca. 20 jährige Schönheit setzt sich zu uns. Ich beginne sie auszufragen. Wie hier, so fernab vom grossen Bogota das Leben sei. "Schön", meint sie nur und grinst zufrieden in die Runde. Bevor Uribe Präsident war, war hier einer der grössten Umschlagplätze für Koka. Die Käufer und die Verkäufer von Kokapaste traffen sich hier. Auf dem Hauptplatz wurde Koka-Paste so wie Mais oder Kartoffeln gehandelt. Völlig legal, obwohl es eigentlich schon immer illegal war. Doch niemand störte es, denn ein jeder soll gut gelebt haben, erzählt mir Diana, unsere vorherige "Guia" und lokale Schönheit.
Nun sieht das ganze anders aus. Das Militär ist gekommen und zwar im grossen Stil. Die Guerilla wurde zurück gedrängt. Früher ging die Guerilla in La Macarena ein und aus, kamen am Freitag Abend um sich in den Bars mit Aguardiente vollzuschütten. Es gab etliche Bordelle hier, denn wo Drogen und Waffen sind, da gibt es auch Geld, viel Geld. Heute ist davon nichts mehr zu sehen, sehr viele Militärs laufen gestresst durch die Strassen.

Was den nun besser sei? Frage ich Sie. Nun ja, früher ging es denn Leuten besser, mehr Geld war im Umlauf. Es gab Direktflüge nach Bogota (heutzutage nur noch am Samstag). Dafür sei es sicherer geworden. Trotzdem kann man aber noch nicht per Auto von La Macarena nach Villavicencio reisen, zu gefährlich, meint sie.

Nach einer feucht-fröhlichen Nacht besteigen wir am nächsten Morgen wieder die Kleinflugzeuge welche schon bald von der Dschungelpiste abheben. Wir überfliegen noch Caño Cristales. 1,5 Stunden später fliegen wir an den paar Hochhäusern von Villavicencio vorbei und setzen bald schon wieder auf der Landepiste auf. Ein Abenteuer in eine andere Welt geht zu Ende. Aber nicht, ohne vorher noch in einem der vielen LLanos Restaurante einzukehren wo wir "Carne a la LLanera" verspeisen. Und dann sitzen wir schon wieder im komfortablen Wagen welcher uns nach Bogota bringt.

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