So viele negative Kommentare hier. Das entspricht nicht meinem Gefuehl dass ich mit meiner Zeit hier in Kolumbien verbinde. Ich kann nur von meinen Erfahrungen in Bogota berichten; diese Stadt unterscheidet sich sicherlich in vielen Hinsichten von anderen Staedten in Kolumbien.
Ich hatte meinen ‚Lateinamerikaschock‘ schon bevor ich hierhin gezogen bin, und im Gegensatz zu Mexico Stadt und Sao Paulo kommt mir Bogota viel geordneter, sauberer und verhaeltnismaessig deutlich sicherer vor. Das ist in anderen Teilen des Landes anders. Es gibt so viel zu schreiben, ich berichte mal etwas Stichwortartig ein paar Eindruecke zum Thema Leben und Arbeiten.
Es gibt eine riesigen Unterschied zwischen arm und reich und viele Gesetze und Regeln die sozial Benachteiligten wenigstens in basalen Aspekten helfen sollen, kommen nicht an. Ich habe aber nicht das Gefuehl dass sich die Kolumbianer der Korruption, Gewalt und Ungerechtigkeit im Land ergeben haben, sondern habe hier so viele unglaublich engagierte, positive, mutige und selbstlos hilfsbereite Menschen kennenlernen duerfen wie nie zuvor in meinem Leben, aus unterschiedlichen sozialen Schichten und mit genuegend eigenen Paeckcen zu tragen. Erfolgreiche Kolumbianer sind unglaublich zaeh, nach einem Rueckschlag wird der Staub abgeklopft und eine andere Moeglichkeit gesucht. Andere klagen ueber Arbeitslosigkeit und alles Andere und pumpen einen um Geld an, aber nehmen wirkliche Hilfs- ind Jobangebote nicht an sondern sind stadtdessen beleidigt und wuetend. Ueber einen kleinen Schnupfen oder ‚kaltes‘ Wetter endlos geklagt aber oftmals schwere Schicksalsschlaege weggesteckt und weitergemacht. Den Umang habe ich oft als sehr Oberflaechlich erlebt, aber hat mal einmal Freunde gefunden, kann man auf sie zahelen. Die Menschen sind sehr freundlich und es gewohnt einander zu helfen, auch Fremden und Auslaendern gegenueber, was ich nicht kenne wird mit viel Geduld erklaert

. Oftmals gilt alles, was im Ausland gemacht wird als besser und einiges scheitert an der eigenen Courage. So viele Leute sind davon ueberzeugt dass es wichtig ist Englisch zu leren, das aber nur kann wenn man eine bilinguale Schule besucht hat.
Wie Nasar schrieb, sind nicht alle reichen Menschen hier Mafiabosse, Korrupt, egoistisch und ruecksichtslos. Hier ist es moeglich, an einem einzigen Tag eine Firma zu gruenden, im Gegensatz dazu kann man fur einen simplen Wisch tagelang von Hueh nach Hott geschickt werden. Man kann hier ganz legal ein Apartment oder Ladenlokal erwerben, dafuer Steuern zahlen, eine Baugenehmigung bekommen, ein Restaurant oder anderes Geschaeft eroeffnen ohne dafuer Schmier- oder Schutzgeld zu zahlen oder zu irgendetwas zu waschen oder zu unterschlagen, seine Angestellen fair behandeln und auch noch Gewinne machen. Mit guten Ideen, Geschick, viel Durchsetzungsvermoegen und Anpassungsfaehigkeit an die Gegebenheiten kann man hier ehrlich gutes Geld verdienen. Unglaublich viele Moeglichkeiten sind hier noch nicht ausgeschoepft. Auch im Sueden der Stadt gibt es Leute mit richtig Geld und geschicktem Geschaeftssinn. Im Norden schiessen Hotels, Buerogebaeude und neue Apartments wie Pilze aus dem Boden (deren Preise in die gleiche Richtung), waehrend im Sueden einige Strassen nicht mal mehr befahrbar sind.
Wenn man hier arbeitet, wird man bunt gemisch mit allen moeglichen Niveaus konfrontiert. Gute, zuverlaessige Arbeit und mitdenken auf hohem Niveau. Genauso wird einem totaler Bullshit mit toternster Miene vorgelegt, weils derjenige schnelles Geld machen, sich wichtig machen will oder sich nicht traut zu sagen dass er keine Ahnung hat (ist hier eine art Tabu). Bunt gemischt bekommen manche ihre Jobs durch ihre Qualifikationen, andere durch gute Beziehungen. Schnell kennt man seine Pappenheimer, und findet auch unglaublich motiverte und talentierte Arbeiter. Vorsichtshalber muessen kleinste Prozesse detailliert erklaert und ueberwacht werden, oft wird Verantwortung weitergeschoben. Wenn sich zB die Zulieferer mit den Bauarbeitern wie kleine Kinder streiten, dampfem diese mit dem Zeug einfach wieder ab. Genauso wie Druckknoefe falschrum auf die Jacke gestampft werden und steif und fest Behauptet wird es ginge nicht anders, oder der Chefkoch behauptet das Stueck Schwein dass in seiner Pfanne brutzelt sei Rindfleisch. Einige Studenten an der Uni koennen nicht mal richtig spanisch schreiben oder Texte begreifend lesen oder haben so viele Probleme zu Hause dass sie sich ueberhaupt nicht mit komplexer Materie auseinandersetzen koennen. Oft wird sich auch darauf ausgeruht, dass alles Moegliche nicht gehe weil die Mittel ja nicht da sind und wenn sie dann doch ploetzlich doch da sind man weiss gar nicht so richtig damit umzugehen.
Viele Kolumbianer die vor einigen Jahren das Land verlassen haben um woanders nach besseren Jobmoeglichkeiten zu suchen (wie auch mein Mann), kommen jetzt zurueck weil sich die Chancen verbessert haben und die Gegebenheiten stabiler geworden sind.
Es gibt hier endlose Listen von Situationen und Vorkommnissen die man sich in Deutschland nicht vorstellen kann, die das Leben und Arbeiten hier schwierig machen und frustrierend sind, ueber die man im Nachhinein lachen oder einfach nur heulen kann. Ich wurde auch schon total verarscht und betrogen, habe aber oft auch von voellig unerwarteter Seite Hilfe bekommen. Wenn man sich davon nicht entmutigen laesst kann man hier schon einiges erreichen. Ich bin froh und dankbar diese Erfahrungen hier machen zu koennen, muss aber auch nicht um meine Existenz und taegliches Essen bangen. Auf meiner Arbeitsstelle wurde ich unheimlich herzlich empfangen, bekomme viele Moeglichkeiten, werde als internationales Vorzeigezirkuspferd benutzt aber auch fuer meine tatsaechliche Arbeit geschaetzt.
Ich habe mich schon mit einigen Europaern unterhalten damit hardern nach Europa zureckzukehren weil sie sich um ihre Zukunft dort sorgen.
Man kann so viel schreiben. Noch ein paar Zeilen zur Sicherheit. Wir haben kein Auto hier und bewegen uns ausschliesslich zu Fuss, Rad und mit oeffentlichen Verkehrsmitteln fort (auch mit kleinem Baby). Fuer einige meiner Kollegen ist es unvorstellbar mit dem Bus zur Arbeit zu kommen, aus Sicherheitsgruenden. Am Wochenende machen wir Kilometerlange Spaziergaenge durch die Stadt mit Kinderwagen. Ich selbst bin noch kein einziges mal beraubt worden (man fuehlt aber oefter mal wie man im Gedraenge abgetastet wird), trage mit mir allerdings auch keine Wertgegenstaende. Ich kenne allerdings fast keinen (ausser mir.... bis jetzt) dem zb noch kein Telefon geklaut wurde und kann echt nur den Kopf schuetteln warum man dann so teure Geraete mit sich tragen muss oder eine Tasche hinter sich and die Stuhllehne haengt. Selber Schuld. Viele Freunde haben uns schon hier besucht und sind auch ohne uns (teilweise ohne Spanischkenntnisse) herumgereist. Alle waren ausnahmslos positiv vom Land ueberrascht. Kolumbien ist das einzige Land in dem ich noch kein einziges Mal als Frau belaestigt worden bin, obwohl ich oft alleine unterwegs bin. Nachts gibt es wenige Orte an denen ich alleine durch die Strassen laufen wuerde. Unser Wasserzaehler wurde auch schon geklaut. Und innerhalb einer Woche alles Metallische aus den Badezimmern der Gaestetoilette im Restaurant

. Wir nennen so etwas immer ein Bestandteil der "Lernkurve"!
Ich (und mein kolumbianischer Mann) haben uns dafuer entschieden unser Kind hier zu bekommen und haben diese Entscheidung zu keinem Zeitpunkt bereut. Es gibt gute Krankenhaeuser und Aertze in Kolumbien, aber es hapert an teuren Instrumenten.
Vor einigen Jahren noch haette ich niemals geglaubt dass ich in Kolumbien arbeiten, investieren, geschweige denn ein Kind bekommen wuerde. Ja, ich wuerde Expats oder im Auslaendern dazu raten nach Kolumbien zu gehen, zumindest nach Bogota. Man kann am Leben teilnehmen ohne es leichtsinnig zu riskieren, aber man muss bereit sein zu lernen und nicht nach deutschen Masstaeben zu messen. Eisbaer tut mir leid dass ich jetzt echt grinsen musste als ich Deinen Beitrag las. Ja, das ist Leben in Kolumbien
