Warnung für Auswanderer: Der Fall eines Schweizer Rentners in Bucaramanga

Tipps und Fragen von Auswanderungswilligen und Leuten, die den Schritt schon gewagt haben.

coentros
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Warnung für Auswanderer: Der Fall eines Schweizer Rentners in Bucaramanga

Beitrag von coentros »

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Vielen Dank für das Verständnis. Ich empfinde es einfach so, dass der Kampf (ja für mich ist es ein Kampf) um Geld und Einfluss ALLERORTS immer intensiver und rücksichtsloser wird (ja für mich ist er teilweise brutal geworden) in und zwischen Ländern, Gesellschaften, Firmen, Organisationen, Familien. Was ich zuletzt von einem Kleinunternehmer in Deutschland gehört habe der sich mir anvertraut hat hätte ich nie gedacht. Von aussen dachte ich ein reicher, erfolgreicher Mann. Eine teure Scheidung und ein idiotischer Finanzberater haben ihn massgeblich in eine hohe Verschuldung und Abhängigkeit getrieben. Er wird in hohem Alter noch viele Jahre abbezahlen müssen, schämt sich darüber zu reden. Ich kann nachvollziehen dass er seinen Kindern einhämmert, nie, nie, nie zu heiraten. Die Gesetze seien "gegen dich", so seine Worte.

Mit Ende 50 wartet wirklich niemand mehr auf jemanden, Familie und wahre Freunde ausgenommen. Der Sozialstaat als Errungenschaft eines nach dem Krieg wohlhabend gewordenen Landes (Deutschland) wird kleiner. Was ich dieses Jahr anderswo in den USA gesehen, erlebt und in Gesprächen gehört habe hat mich schockiert. Ein Taxifahrer hat mich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Ich habe mich bei meinem Arbeitgeber direkt entschuldigt und geschämt für meine Blödheit. Aber gleichzeitig mir Gedanken gemacht was wohl seine (des Taxifahrers) Motive waren. Was ist aus diesem Land, USA, bloss geworden ?!

Nun ich möchte immer bei Kolumbien bleiben. Was die angesprochene Emanzipation betrifft. Meine Frau geriet auch immer in Panik als ich alleine aus dem Wohlstandsviertel estrato 5 auch nur weniger als einen Kilometer bis zum centro commercial gelaufen bin. Ich habe es im Laufe der Zeit geschafft mich überall hin alleine hinzubewegen, in estratos (eins) in denen sich meine Frau oder Verwandte nie getrauen reinzugehen. Sie fragen sich ansonsten warum überhaupt da hingehen ("warum Elend anschauen ?"). Selbstverständlich in barrios populares, aber auch in Strassen wo Drogensüchtige unberechenbar auf der Strasse dahin vegetieren oder in kleine pueblos auf dem Land. Ich möchte alle Ecken kennenlernen.

Ist das, war das nun (zu) riskant ? Möglicherweise. Meine Erfahrungen sagen mir es war bislang richtig. Vielleicht hatte ich auch nur Glück.
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Eisbaer
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Warnung für Auswanderer: Der Fall eines Schweizer Rentners in Bucaramanga

Beitrag von Eisbaer »

@Holger78, @coentros, vielen Dank für diese beiden sehr persönlichen und aufschlussreichen Beiträge. Sie sind der beste Beweis dafür, dass eine sachliche Diskussion am Ende zu den wertvollsten Erkenntnissen führt.

Ihr zeigt beide eindrücklich den Weg zur goldenen Mitte auf, nach der ich auch strebe: @Holger78 bringt es auf den Punkt: Es geht darum, nicht abhängig zu sein. Die Familie ist ein fantastisches Netzwerk, aber das Ziel muss sein, auch als eigenständiger Mensch agieren zu können. @coentros demonstriert genau, wie das in der Praxis aussehen kann: Durch behutsames, aber bestimmtes Erkunden, durch das Sammeln eigener Erfahrungen und das Entwickeln eines Gespürs für Situationen – immer wachsam, aber nicht in Angst. Ihr Punkt, dass Sie auch Gegenden erkunden, in die sich Ihre eigenen Verwandten nicht trauen, ist faszinierend und zeigt, dass Unabhängigkeit erlernbar ist.

Das ist die eigentliche Lektion aus der tragischen Geschichte des Schweizer Rentners und aus dieser gesamten Diskussion: Die Lösung ist weder totale, naive Blindheit noch absolute, isolierende Abhängigkeit. Die Lösung ist informierte, wachsame Unabhängigkeit.

Es geht darum, die Risiken zu kennen (wie in meinem Startbeitrag geschildert), sich ein schützendes Netzwerk aufzubauen (wie @Holger78 es hat), aber sich gleichzeitig Schritt für Schritt eigene Handlungsfähigkeit und Urteilsvermögen zu erarbeiten (wie @coentros es meisterhaft beschreibt).

Vielen Dank an alle für diesen erkenntnisreichen Austausch. Ich denke, wir haben das Thema von allen Seiten beleuchtet und für jeden, der diesen Thread liest, eine klare Roadmap vom Problem zur Lösung geliefert.
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Eisbaer
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Warnung für Auswanderer: Der Fall eines Schweizer Rentners in Bucaramanga

Beitrag von Eisbaer »

Vielen Dank an alle für die intensive und erkenntnisreiche Diskussion zu den Risiken und der Bedeutung von Unabhängigkeit.

@gordito54 hat mit seinem persönlichen Erfahrungsbericht nun den idealen Gegenentwurf geliefert und zeigt auf, wie eine gesunde, gleichberechtigte Partnerschaft in Kolumbien funktionieren kann. Da sein Beitrag ein eigenes Thema verdient, habe ich ihn hierhin verschoben.

Dort kann die Diskussion über die schönen Seiten und das Gelingen eines gemeinsamen Lebens in Kolumbien gerne weitergeführt werden.
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