Die Zukunft von Kolumbien | Wohin steuert Kolumbien?

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coentros
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Beitrag von coentros »

⇒ Letzter Beitrag der vorhergehenden Seite:

"Nur Wirtschaftwachstum als Allheilmittel zu benennen"...davon war auch nicht die Rede. Aber ohne Wirtschaftswachstum als notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung wird es ganz schwierig. Ich finde es gibt einige schöne Beispiele für Länder mit einer guten Entwicklung in den letzten zehn Jahren, z.B. Polen, Panama, Thailand. Gute Entwicklung heisst "besser als andere gemacht". Nirgendwo gibt es einen Ponyhof.

Den Vergleich mit USA finde ich unpassend. Das wäre so wie wenn ich auf der anderen Seite die Sowjetunion, Nordkorea oder Venezuela als Empfehlung nehmen würde. Da wüsste ich dann immer noch was weniger schlimm ist. Wie gesagt, die einfachen Gleichungen "rechte" vs "linke" Politik funktionieren heute sowieso nicht mehr.

Was mich bei Petro ernüchtert ist, dass ich überhaupt kein Thema finde bei dem er bislang richtig überzeugend wirkt. Innenpolitik, Aussenpolitik hatte ich erwähnt. Gerne lass ich mich von Gegenbeispielen überzeugen. Ansonsten freue ich mich wenn er es in den nächsten 2.5 Jahren besser macht.

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coentros
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Beitrag von coentros »

Fünf Jahre sind vergangen seit dem ersten Beitrag im Juni 2019. Die Welt, inzwischen eine ganz andere geworden (Covid, Inflation, kriegerische Auseinandersetzungen). Gesamthaft die 10er Jahre insgesamt erfreulicher als die 20er Jahre bisher, in Kolumbien als auch in Deutschland. Meine Frau (Kolumbianerin) wollte und will in DE leben, meine Wenigkeit (Deutscher) in Kolumbien. Die Kinder inzwischen erwachsen, selbstständig und aus dem Haus. Sie hat sich bislang durchgesetzt. Das nur nebenbei, am Rande.

Kolumbien seit zwei Jahren mit einem linksgerichteten Präsident. Zu jüngeren Ereignissen gibt es einige neuere threads (Friedensgipfel, Strohhut, Fuera Petro Gesänge).

Wie wird es weitergehen mit Kolumbien ?

Seine aussenpolitischen Ambitionen… ja, die Welt sollte sich um das Nr.1 Problem kümmern, die KIimakrise. Deren Wurzel die G-20 Länder die für 80% der globalen CO2-Emissionen stehen. Darin komplett enthalten allerdings auch die 5 BRICS-Länder mit 40% der Weltbevölkerung und 45% der globalen CO2- Emissionen. Petro´s Botschaft mit den „Schornsteinen im Norden“ einseitig irreführend. Nimmt man noch weitere BRICS-Verbündete dazu stehen diese für die Hälfte der globalen CO2-Emissionen, also gleichermassen schuld. Desweiteren fatal aber auch die krankhafte Überbevölkerung infolge exponentiellen Wachstums in vielen ärmeren Ländern. Diese Menschen streben letzten Endes denselben Konsum an. Migrationsströme als weitere Folge.

Stattdessen rüstet die Welt auf. Als ob die Mächtigen der Welt die Endzeit gemäss Lukas, Kapitel 21,5-38 nun entschlossen einleiten wollen. Nach dem kalten Krieg die beiden neuen Blöcke. Mindestens 40-50 Länder auf der einen Seite: 32 NATO-Länder plus Smpatisanten wie Australien, Japan, Neuseeland, Thailand, Singapur, Philippinen, Südkorea, usw, angeführt durch die USA. Auf der anderen Seite ein Block aus China, Russland, Weissrussland, Syrien, Iran, Venezuela, Kuba, Nicaragua, und aus Lateinamerika Brasilien und … Kolumbien (plus weitere).

Man muss sich nur nur das von Russland zuletzt heiss umworbene Mitglied Nordkorea anschauen. Ohne den Kampfbegriff des US-Amerikaners zu bemühen („Achse des Bösen“), alles mehr oder weniger Diktaturen oder autokratische Systeme. Petros Worte wie „Faschismus des Nordens“ und viele weitere Beispiele sprechen eine klare Sprache. Er fühlt sich eindeutig wohler im China-Russland Block. Seine Worte über Kolumbiens angestrebte weltpolitische „Neutralität“ für mich unehrlich bzw. irreführend. Ich möchte die Diktatur a priori noch nicht einmal pauschal in Abrede stellen, Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Diktatur von Josip Broz „Tito“ würde ich als eine solche Ausnahme für ex-Jugoslawien anführen.

Was seine angestrebte globale Kapitalumverteilung anbetrifft (Umweltschutz für Schuldenerlass), schon in Ordnung. Aber nicht vergessen, die eigenen Verbündeten stehen genauso für Umweltverschmutzung wie die Länder und „Schornsteine des Nordens“. Abgesehen davon noch besser: die eigene Wirtschaft und Haushaltsdiziplin nach freien, marktwirtschaftlichen Prinzipien voranbringen. Ja letzteres tut weh, ist eine Generationenaufgabe, die Vorgänger haben gesündigt. Aber anders scheint es nicht zu gehen.

Zum Glück ist er nun wieder zu Hause. Dort wird er gebraucht. Das Positive zuerst. 1) Die Inflation von 12% in 2023 auf offiziell nur noch 5% gefallen, andere Wirtschaftsindikatoren zuletzt gar nicht so schlecht, insbesondere die Arbeitslosenquote unter 10% gesunken, 2) Die Rentenreform ist durch, auch das salario minimo deutlich gestiegen 3) Klimaprojekte sichtbar (grüner Wasserstoff).

Aber würde es bei Punkt 1) anders aussehen, wenn ein anderer Name, Präsident X, dort stünde ? Die offenen Volkswirtschaften hängen mehr oder weniger alle am globalen Wachstum der Weltwirtschaft. Wenn dieser Motor brummt bekommen alle, auch Kolumbien natürlich, was davon ab. Insofern besser nicht versuchen sich globalpolitisch zu isolieren. Punkte 2) und 3) löblich, auch wenn ich mehr in die Jugend als in die Rentner investiert hätte. Auf jeden Fall Fortschritte mit denen man die Gesellschaft zusammenhalten kann (Duque’s Steuerreform in 2021 mit in der Folge sozialen Unruhen/Gewalt als Gegenbeispiel).

Warum nicht einmal eine Bildungsinitiative ? Man hat heute genug Möglichkeiten um überduchschnittlich begabte talentierte Kinder/Jugendliche zu identifizieren, nach IQ und EQ. Für die besten 100 nach einem landesweiten Wettbewerb a la Kolumbiens „best high potentials“ ein ausreichend grosszügiges staatliches Stipendium das ein Studium an den besten Elite-Universitäten der Welt ermöglicht (Harvard, Genf, Singapur, etc). Nur eine Auflage, sie müssen danach zurückkommen und ein Unternehmen in Kolumbien gründen. Damit es so kommt können weitere Anreize und Sanktionen vertraglich festgeschrieben werden.

Mein grösstes Fragezeichen und Negativpunkt: Die innere Sicherheit. FARC-Dissidenten nicht im Griff, ERN-Guerilla will wieder Geiseln nehmen um Lösegeld-Einnahmen zu sichern. Bei den Demonstrationen im Valle de Cauca ist er vorzeitig abgereist, droht mit Ausnahmezustand gegen Gewalteskalationen. Letzten Endes wird es auch wieder nur mit dem Militär gelöst werden. Das hat er sich anders vorgestellt, allerdings eben naiv.

Mit ALLEM vorgenannten verbunden: Die Kokainproduktion auf neuem Höchststand, ebenso offensichtlich in Peru und Bolivien. Hauptabnehmer inzwischen Europa. Anders als in der Aussenpolitik, wo Zurückhaltung viel besser wäre, würde ich genau an dieser Stelle einmal radikale Vorschläge in Richtung Europa anraten. Es ist doch eigentlich deren Problem.

So leid es mir tut: Es hilft nur ein hartes „law and order“ um ein mögliches schleichendes Abgleiten in Zustände a la Ecuador zu vermeiden. Hier glaube ich besteht noch einiger Nachholbedarf.

Mich würde die Meinung der ständig vor Ort lebenden Forumsteilnehmer interessieren: Wie nehmt ihr die innere Sicherheit war ? Ist es gefährlicher geworden „auf der Strasse“ ? Für die tienda an der Ecke ? Den Kleinunternehmer der auf einmal vacuna bezahlen muss ? Für die Familien die ihre Kinder sicher in die Schule gebracht sehen wollen ?

Meine Bilanz zur Halbzeit von Petro mit Licht und Schatten. Unabhängig davon, was die Zukunft Kolumbiens betrifft aber gar nicht mal so negativ.
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Eisbaer
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Beitrag von Eisbaer »

Vielen Dank @coentros für den ausführlichen und gut verständlichen Beitrag.

In der kleinen Stadt Sincelejo an der atlantischen Küste haben die Raubüberfälle drastisch zugenommen. Sogar der Inhaber der Tienda in meinem Barrio zahlt Schutzgeld, was vor Corona undenkbar war. Der Bürgermeister der Stadt hat vergangene Woche eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Neben der Polizei sollen nun auch motorisierte und bewaffnete private Gruppen in der Stadt patrouillieren. Für viele erinnert dies an den Paramilitarismus unter Álvaro Uribe, der die Gruppe CONVIVIR in Medellín unterstützt hat. Ich kann nur hoffen, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht wird.

Viele meiner Nachbarn hatten zur Zeit der Wahlen Petro-Plakate aufgehängt. Heute sind sie nicht mehr gut auf ihn zu sprechen.
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coentros
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Beitrag von coentros »

Hallo Eisbaer

Betrüblich was Du über Sincelejo berichtest. Wir kennen uns im wesentlichen nur in Cali und Popayan und noch ein bis'chen in Cartagena aus wo unsere Verwandtschaft angesiedelt ist. Manchmal bin ich mir nicht sicher wie ich deren Informationen und Berichte einordnen soll. Ende des Jahres planen wir erstmals nach der Covid Pandemie wieder vor Ort zu sein. Ich bin gespannt. Auch auf Berichte anderer Forumsmitglieder zur inneren Sicherheit.

Max
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Beitrag von Max »

Ich sehe es auch so, dass die Sicherheitslage wieder schlechter geworden ist. Einige Gegenden, wo man vor 1- 2 Jahren noch hin konnte, sind wieder zu No-Go Zonen geworden. Um Yamundi rum ist es grad richtig heiß. Überall hin mit dem Auto ist gerade nicht so nice. Vor allem Richtung Süden. Man hat ein bißchen das Gefühl, vor allem, wenn man die Zeit noch kennt, dass es so wird wie vor Uribe vor allem sind ja erst 2 Jahre vergangen, seit die neue Regierung da ist und es verbleiben noch 2 Jahre. Heute wurde angekündigt, dass der Diesel für große Unternehmen schrittweise erhöht wird. Da werden dann viele Sachen noch teurerer werden. Wie das der Großteil der Bevölkerung stemmen soll, ist mir ein Rätsel. Mal schauen, ob von Seiten der Transport-Unternehmen Straßenblockaden geben wird, da ja nicht alle von der Erhöhung betroffen sind. Wie man das dann an den Tankstellen macht, ist dann noch eine ganz andere Frage.

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coentros
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Beitrag von coentros »

Ich darf anfügen, weil so passend über das Klagen der angestiegenen Preise allerorts, eben z.B. in Kolumbien.

Ich bin heute abend seit langer Zeit wieder einmal zum Italiener um die Ecke gegangen um telefonisch bestellte Pasta für zwei abzuholen. Wohlgemerkt Mitnahme, nicht vor Ort essen. Hatte ihn die letzten beiden Jahre gemieden, schlicht weil wir eine andere Alternative gefunden hatten und ich sein Gejammere über Deutschland nicht mehr hören wollte.

Die Preisliste von Anfang 2022, je für eine Portion Carbonara und Bolognese zum mitnehmen habe ich auch wieder rausgewühlt, nur um mich zu vergewissern ob mein Gedächtnis noch funktioniert. Ja, so wie abgespeichert waren es damals 7.- EUR pro Portion gewesen.

Gutgläubig nur mit einem 20 Euro Schein bewaffnet, sonst nichts, war ich bei Abholung zahlungsunfähig. Sie wollten nun 26 Euro für zwei Portionen. Zuerst habe ich nicht an meine Hirn sondern an meinen Ohren gezweifelt. Fassungs- und Sprachlosigkeit. Ein Preisanstieg von 86% in zwei Jahren ?! Prost Mahlzeit. Da sie mich wiedererkannten liessen sie mich mit 20 Euro und wortreichen Erklärungen gewähren.

Soweit die Botschaft zu Inflation und Wert des Euros in Deutschland. Habs 1:1 an meine lieben Verwandten in Kolumbien weitergeleitet. Es soll hier um die Zukunft Kolumbien gehen, nicht Deutschland.

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Hallo Max, vielen Dank für Dein feedback. Jamundi kenne ich auch ein bis´chen. Da war doch die Autobombe kürzlich ?!
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Eisbaer
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Beitrag von Eisbaer »

Die Patrouillen der privaten Sicherheitskräfte in Sincelejo wurden von der Regierung verboten.
Die bewaffneten Männer in schwarzen Uniformen auf schwarzen Motorrädern haben die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt, obwohl das Gegenteil der Fall sein sollte. Vermutlich handelte es sich um einen Deal zwischen dem Bürgermeister und einer privaten Sicherheitsfirma.

Edit: Zwischenzeitlich wurde in der Presse folgender Bericht zum Bürgermeister veröffentlicht:
Yahir Acuña pasó de ser investigado por paramilitarismo a salvador de la seguridad en Sincelejo: lo acusan de pagarle a las bandas para no salir
https://www.infobae.com/colombia/2024/10/13/yahir-acuna-paso-de-ser-investigado-por-paramilitarismo-a-salvador-de-la-seguridad-en-sincelejo-lo-acusan-de-pagarle-a-las-bandas-para-no-salir/
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Eisbaer
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Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion?

Beitrag von Eisbaer »

Ein Diskussionsfaden über die Rede zur Kongresseröffnung 2025, mediale Einordnungen und politische Spannungen in Kolumbien.

Gestern eröffnete Präsident Gustavo Petro die ordentlichen Sitzungen des kolumbianischen Kongresses mit einer eindrucksvollen Rede. Für alle, die sich ein eigenes Bild machen möchten, hier das offizielle Video der Ansprache:


Parallel dazu hat Caracol Noticias eine Analyse veröffentlicht, die die Rede und die Reaktionen der Opposition beleuchtet: Análisis del discurso del presidente Petro y la oposición en la instalación del Congreso


Auch wenn Caracol nicht immer als neutral gilt, bietet das Video eine interessante Perspektive und ist ein guter Ausgangspunkt für Diskussionen über die politische Lage im Land.
  1. Welche zentralen Punkte und Botschaften habt ihr in der Rede identifiziert?
  2. Wie bewertet ihr den Ton und die Rhetorik des Präsidenten?
  3. Inwieweit erscheint euch die Analyse von Caracol ausgewogen oder tendenziös?
  4. Welche Rolle spielt die Opposition in dieser neuen Legislaturperiode?
Dieser Thread soll dazu dienen, unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen – ganz im Sinne eines respektvollen und kritischen Austauschs über die Entwicklungen in Kolumbien.
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Benjamin
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Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion?

Beitrag von Benjamin »

Ein wirklich spannendes Thema, das du da aufgemacht hast! Ich war auch gespannt auf Petros Rede und habe mir beide Videos angesehen. Es ist ja oft so, dass die Meinungen auseinandergehen, gerade wenn es um so zentrale politische Ereignisse geht.

Was Petros Rede angeht, fand ich schon, dass er versucht hat, seine Vision für Kolumbien klar darzulegen. Mir fielen vor allem die wiederholten Appelle an die "Veränderung" und die "soziale Gerechtigkeit" auf. Er betonte stark die Notwendigkeit von Reformen, besonders im Gesundheitswesen und bei der Landverteilung. Der Ton war, wie ich finde, schon sehr überzeugend, fast schon missionarisch. Er hat ja auch wieder diese eher emotionalen Elemente eingebaut, die man von ihm kennt. Man merkt einfach, dass er seine Basis mobilisieren will und gleichzeitig auch versucht, Druck auf den Kongress auszuüben.

Die Caracol-Analyse war, wie du schon sagst, interessant, aber auch hier merkt man die Linie des Senders. Ich fand sie erwartbar kritisch gegenüber Petro und hat vor allem die Punkte beleuchtet, die von der Opposition aufgegriffen wurden. Ausgewogen würde ich sie nicht unbedingt nennen, aber sie bietet eben diese "Gegensicht", die für eine Diskussion wichtig ist. Caracol hat schon sehr auf die Reaktionen der Opposition fokussiert und wie diese die Rede von Petro zerpflückt haben.

Die Rolle der Opposition wird in dieser Legislaturperiode definitiv spannend. Sie ist stark, und es wird nicht leicht für Petro, seine Projekte durchzubringen. Ich denke, sie werden versuchen, jeden Schritt der Regierung kritisch zu begleiten und besonders auf die Umsetzbarkeit der Reformen zu pochen. Es ist ein ständiges Tauziehen um die öffentliche Meinung und die Mehrheiten im Kongress.

Es ist gut, dass wir hier einen Raum für unterschiedliche Perspektiven haben, um das alles mal in Ruhe zu beleuchten. Ich bin gespannt, was die anderen dazu sagen!

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coentros
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Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion?

Beitrag von coentros »

Hallo zusammen

Vielen Dank für den Verweis auf diese meines Erachtens sehr wichtige Rede des Präsidenten. Ich konnte vieles mitnehmen und überdenken, was ich zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen werden wenn der Wahltermin in 2026 näher kommt. Im folgenden einige Interpretationen hervorgehoben, nach meiner subjektiven Wahrnehmung. Es ist nicht immer leicht den gesamten Kontext zu erfassen. Er spannt weitreichende Bögen, manchmal bis in die Antike und zu den indigenen Ureinwohnern zurück. Das ist seine Art. Einige Stärken und Errungenschaften, einige Schwächen und Defizite haben bei mir gesamthaft ein gemischtes Bild des Politikers und Präsidenten Petro hinterlassen.


Für mich beginnt die Rede des Präsidenten mit seiner Erinnerung und Betonung des aus seiner Sicht wichtigen Datums des 20.07.1810. Tag des Aufstands und der Unabhängigkeit in Kolumbien. Er beschreibt sehr ausführlich, auf seine originäre Art langatmig, warum dieser Ereignis von vor über 200 Jahren, in Kolumbien als ein Beispiel für wahrhafte Demokratie gewürdigt werden muss. Im Anschluss eine Aufzählung von Beispielen und Andeutungen was dann in der Folge eher weniger oder überhaupt nicht als Demokratie gelten darf.

Dazu zählt er interessanterweise auch das antike Griechenland. Begründung: Menschen mit dunkler Hautfarbe, die nur als Sklaven dienten, und Frauen, die nicht in den Kongress und in keiner Form am politischen Entscheidungsprozess teilhaben durften. So ist das zwar richtig. Allerdings hinkt der Vergleich aufgrund Missachtung des zeitlich völlig unterschiedlichen Kontext. Durfte man denn vor über 2500 Jahren im antiken Griechenland bereits eine perfekte Demokratie erwarten ? Sie wurde da doch gerade erst geboren.

Viele weitere Exkurse, u.a. die Aufhebung der Verfassung im Jahre 1886, danach Zentralisierung der staatlichen Gewalt mit in der Folge mehreren Jahre Bürgerkriegs. Kurzum, die Demokratie hatte es sehr schwer, auch in Kolumbien. Der Bogen wird gespannt bis zum Jahr 1991. Erst ab dieses Datums, so Petro, wurde ernsthaft über Demokratie gesprochen. Er verweist auf seine eigene Rolle als unermüdlicher Kämpfer, stets in der Opposition, aber immer mit leidenschaftlichen Einsatz auch unter Lebensgefahr, für Demokratie bis er schliesslich vor drei Jahren zum Präsidenten gewählt wurde. In diesem Kontext hat er viel und auf seine originäre Art gegen Uribe und die negativen Auswüchse des Paramilitarismus ausgeteilt.

Nach etwa 20 Minuten kommt er langsam zur Gegenwart um die erzielten Fortschritte seiner Regierungsarbeit aufzuzeigen. Er betont die Wirtschaftsdaten an den Anfang stellen zu wollen. Beim wichtigen Thema der sozialen Gerechtigkeit erwähnt er zunächst das Kolumbien zu den zwei oder drei Ländern mit der höchsten Ungleichheit gehört. Etwas vereinfacht, die Aussage aber gemäss vieler Statistiken gesamthaft korrekt. Um mehr soziale Gerechtigkeit herzustellen sei Wirtschaftswachstum zwingend notwendig, so seine Worte, welche er mit dem Thema der Inflation verknüpft. „Yo recibi un pais con una inflacion de mas de 13% (…) y con el 25% de crecimiento anual de los alimentos“.

Diesen sehr wichtigen Punkt stelle ich heraus. Es mag sich jeder ein eigenes Bild machen. Ich sehe hier eine verzerrende, vereinfachte Darstellung der komplexen globalen post-Covid Realitäten. Die Zahlen mögen so sein. Mitte 2022 hatten aber praktisch alle Wirtschafträume (Ausnahme Schweiz) mit zweistelligen Peaks in der Inflation zu kämpfen (US, EU, JP), die meisten Schwellenländer noch höher, Extreme z.B. in der Türkei und Argentinien. Die US-Fed hatte quasi im Panikmodus damals in atemberaubender Geschwindigkeit den Leitzins von 0 auf über 5% hochgetrieben, in einer historisch einmaligen Geschwindigkeit, Weitere Ereignisse vor drei Jahren: globale Lieferkettenprobleme, markant steigende Energiepreise, Ausfall von Ländern wie der Ukraine als wichtiger Getreide-Lieferant. Schon ein Jahr später sind die Inflationsraten aufgrund der globalen Bemühungen allerorts wieder gesunken. Hier einen Punkt der eigenen Politik in Kolumbien zuzurechnen finde ich schwach bzw. bewusst irreführend.

Dann folgt, von emotionalen Reaktionen des Kongresses begleitet, seine Feststellung dass unter seiner Regierung insbesondere die Inflation bei den Lebensmittelpreisen von über 25% auf 4.8% gesenkt wurde, wörtlich 4.82% (… zwei Nachkommastellen ??). Er erwähnt widersprüchliche Theorien der Experten zwischen Geldmengenwachstum, Leitzinsniveau und Inflation. Seine Schlussfolgerung, dass es „äussere Faktoren“ waren die die Nahrungsmittelpreise nach oben getrieben haben. Damit bleibt er hier sehr allgemein, aber so ist die Aussage natürlich auch nicht falsch.

Nun kommt ein Detail bei dem ich eine sehr persönliche Interpretation habe. Man mag hier geteilter Meinung sein. „Claro que habia (…) y una guerra de Ucrania con Russia (…)“. Ein Krieg der Ukraine mit Russland ? Im Kontext der Lebensmittelpreise erwähnt er es mit einer verächtlichen Stimme und Gestik quasi als Fussnote. Er hätte es auch als Überfall Russlands auf die Ukraine beschreiben können, unter würdigender Erwähnung des Leids unter der Zivilbevölkerung, bestialischer Greultaten und der vielen entführten Kinder. Dann fände ich es glaubwürdiger im Kontext der von ihm später in seiner Rede mehrmals erwähnten Kriegsmaschine Israels welche Kinder in Palästina ermorden. Das Leid der Kinder in Palästina ist eine Erwähnung wert, das der Kinder in der Ukraine nicht. Meine Interpretation dass es ihm nur dann um das Leid von Menschen geht wenn es in die eigene politische Agenda passt.

Ansonsten seine Schlussfolgerungen bei den Wirtschaftsdaten: Er hätte die Inflation in den Griff bekommen und die Gesamtnachfrage und den Konsum gesteigert welche ein Wirtschaftswachstum von 2.7% generiert hätten. Er betont hierbei die stetige Erhöhung des salario minimo, wie kein anderer es vor ihm getan hat. Bei letzterem hat er zweifellos Recht. Beim Wachstum von 2.7% sagt er selbst dass das „natürlich“ noch nicht ausreichen würde und behauptet dann schlicht dass es noch mehr werden wird, aufgrund der Stimulation der Gesamtnachfrage. Hier würde ich festhalten: Kolumbien liegt im Trend aller Länder Lateinamerikas die im Schnitt um 2.5-3% wachsen. Spitzenreiter dieses Jahr Argentinien mit bis zu 5%, Schlusslicht Ecuador für das höchstens noch 1% erwartet wird. Hat er hier vergleichsweise etwas besonderes bewirkt ? Ich würde sagen nein. Zwischen 2005-2020, vor Beginn der Covidkrise, hat Kolumbien im Schnitt jedes Jahr ein Wachstum >3% erreicht.

Bedenklich dazu sein Vergleich (ab ca 32:00), bei dem er Konsumenten die einen Immobilienkredit für ihr Haus bei der Bank zu einem Zins x abzahlen mit abhängigen Drogenkonsumenten von Kokain in eine Reihe stellt. In beiden Fällen würde kein Wert oder Wachstum geschaffen. Mit diesem für mich völlig schrägen Vergleich stellt er offensichtlich das Prinzip von Kapitalbildung und Zinsertrag in Frage. Da fragt man sich natürlich was er als Alternative in seinen Gedanken hat ?

Danach längere Ausführungen was Wachstum, Reichtum, Bildung eigentlich ist oder sein sollte um dann zum Thema der Landwirtschaft zu kommen. Hier kommt dann irgendwann die Zahl dass die Agrarwirtschaft zuletzt um 7.1% gewachsen sei, und verweist auf Rekordzahlen beim Export einzelner Agrarprodukte, mit einem gesamthaft starkem Anstieg gegenüber 2022 von plus 40%. Eine solche Steigerung hätte es zuletzt 1995 gegeben. Ohne auf die Zahlen im Detail einzugehen sind diese Steigerungen und effektive Umsetzung des Programms „mehr Kaffee, weniger Öl“ korrekt und ein Erfolg.

Beim Thema Agrarexporte spannt er den Bogen zu einem der wichtigsten Pfeiler des Friedensabkommens von Santos, der Landverteilung. Hier erwähnt er 601.000 Hektar fruchtbares Land, teilweise teuer von zweifelhaften Besitzern angekauft, und verteilt zu haben. Dieses unvergleich viel mehr als die Vorgänger Duque (1.000 Hektar) und Santos (8.000 Hektar) realisiert haben. Fazit: Hier war er in der Tat anders als seine Vorgänger (die nichts errreicht haben) sehr erfolgreich. Erwähnen würde ich allerdings eine nicht geringe Belastung des Haushaltsbudgets. Hier wäre er eine härtere Hand gegenüber den vorherigen Besitzern (Drogenbarone) wünschenswert gewesen, anstatt diese „fair“ nach Marktpreisen zu bezahlen.

Dann geht er über zur non-Agrar Wirtschaft. Er verweist zunächst auf sein altes Wahlversprechen wonach er aufgrund des Klimawandels wie geplant nicht auf Petrochemie setzen wird (Petro gegen Petrochemie). Nicht unerwähnt lässt er hier auch dass es meistens rechte Regierungen weltweit sind die den Klimawandel leugnen. Dann wird es etwas wild, wie Klimawandel, Migration, die Rolle der USA, Humanität, irgendwie alles angedeutet und in einen Zusammenhang gebracht werden. Kurzum am Ende geht es ihm um die Dekarbonisierung der Wirtschaft in Kolumbien. Die Kohleförderung mit einem Wachstum von 7.8% im Jahr 2021 schrumpfte in 2024 um -13%. Dieselbe Tendenz, schwächer ausgeprägt, auch bei Öl und Gas. Der Export dieser Rohstoffe hat vormals 60% ausgemacht. Mit diesen Zahlen bestätigt er zweifellos den Kurs seiner Regierung als verantwortungsvolle Politik in Bezug auf den Klimawandel. Und trotz dieses Rückgangs bei Petrochemikalien weist die Gesamtexportstatistik ein plus von 3.7% aus.

Dann erwähnt er ein signifikantes Problem in dem Kolumbien stecken würde: Das Wachstum des Realzins (tasa real, nicht nominal) läge über dem der Wirtschaft. Und das bedeutet die Schuldenlast würde zunehmend unbezahlbar. Hier betont er, dass die Ausgaben für den Schuldendienst inzwischen die grösste Position im Haushalt sind. Und hierbei die Ausgaben für die Inlandsschulden grösser als für die Auslandssschulden. Somit profitiert wiederum das inländische kolumbianische Grosskapital. Offensichtlich wer hier gemeint ist. Hier klagt er desweiteren unmissverständlich die Banco de la Republica an die den Lietzins nicht ausreichend senkt.

Bei den 3.7% Exportwachstum erwähnt er noch die wachstumsstärkste Region: Antioquia. Dabei wird es sehr emotional, laut im Kongress. Hier sei die Textilindustrie führend, die mit Mikrokrediten gezielt gestärkt wurde, was er auch als grossen Verdienst seiner Regierung betont. Meine Überprüfung ergab ein uneinheitliches Bild mit starker Saisonalität, nur eine Betrachtung über einen grösseren Zeitraum (5 Jahre) liesse meine Erachtens hier Schlussfolgerungen zur Nachhaltigkeit zu. Ansonsten auch das Wachstum im Tourismus. Auch hier sehe ich aufgrund eines post-Covid Effekts die Zahlen noch nicht stichhaltig genug.

Nach diesen interessanten Ausführungen kommt er dann leider zu einem ganz anderen Thema: Kohleexporte und der Völkermord in Gaza, direkt in der Einleitung in einem Atemzug der Vergleich mit dem Genozid an den Juden während des zweiten Weltkriegs. Hier wird zwar vermutlich zurecht die zweifelhafte Rolle von Schweizer Konzernen wie Glencore beklagt, aber eher in Bezug mit Kohle für den Bombenbau und Zerstörung von Gaza. Warum betont er nicht die Umweltzerstörung und negativen Auswirkungen vor Ort mit der El Cerrejon Mine ? Sein weiterer Verweis zum Vorgehens Israels und dem Vergleich mit Hitler, Auschwitz und den Nürnberger Prozessen als Hinweis ob wir uns als Demokraten bezeichnen können ist für meinen Geschmack (völlig) daneben.

Nächstes Thema: Gesundheitswesen. Erfolge in den grossen Kennziffern Mortalität und Morbidität angefangen in den 90er Jahren bis vor ca. 10 Jahren. Seitdem sei eine Stagnation des vorherigen positiven Entwicklung zu beobachten. Dann der Verweis auf den Impact der Covidpandemie ab 2020. Er beklagt die Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Impfstoffe zwischen reichen und armen Ländern, ebenso in der Folge die Sterblichkeit älterer Menschen in armen Ländern viel höher als in reichen Ländern. Er spricht sein wichtigstes Gesetz an, das Präventivsystem. Er verweist auf einen signifikanten Rückgang der Kindersterblichkeit seit 2022, in dem Kontext wird der Gesundheitsminister unter Applaus von Teilen des Kongresses gewürdigt. Auch hier folgt die Erwähnung der Zahl getöteter Babies in Gaza unter den Bomben Israels (20’000).

Diese Zahlen würde ich anders interpretieren. 158 von 200 Ländern haben es global geschafft die Kindersterblichkeit in den letzten zehn Jahren zu halbieren (!). Die Kindersterblichkeit in Kolumbien ist tatsächlich über die letzten 30 Jahre kontinuerlich rückläufig. Ansonsten einseitig nur Gaza zu erwähnen. Länder wie Afghanistan und Sub-Sahara-afrikanische Ländern haben einen enormen Anstieg zu verzeichnen, genauso wie die Ostukraine mit einem leichten Anstieg. Hier wird ein bewusst falsches Bild gezeichnet und die Kindersterblichkeit in Ländern die unter kriegerischen Auseinandersetzungen polemisch einseitig erwähnt.

Dann folgt eine Auseinandersetzung mit dem EPS-System als Finanzintermediäre, bei dem er den schlimmsten Raubzug seit der Kolonisierung und dem Goldraub Kolumbiens sieht. Auch bei diesem Punkt wird es sehr emotional im Kongress. Hier verweise ich auf den thread im Forum wo das EPS-Thema bereits diskutiert wurde.

Er kommt zum Thema der inneren Sicherheit. Er gibt direkt offen zu, dass die Regierung die Ziele des „paz total“ verfehlt hat. In der weiteren Analyse sei dies eindeutig der gestiegenen Kriminalität rund um das organisierten Verbrechen zuzurechnen. Diebstahl, Tötungen bei Schlägereien, Wohnungseinbrüche, familiäre Konflikte, seien dagegen alle rückläufig. Anonsten das Polizeibudget um 22% ggü der Vorgänger-Regierung gestiegen, personell eine Aufstockung von mehr als 14’000 Personen erfolgt, 54’000 Personen wurden befördert, Investitionen in die Ausstattung, 10% Gehaltserhöhung, die Ernährung in den Polizeikasinos verbessert, etc. Hier auch wieder sein obsessiver Hinweis auf Israel, wo die Soldaten natürlich das modernste Gewehr haben.

All diese Investitionen würden von der Presse nicht berichtet, nicht gewürdigt. Er behauptet, die grosse Mehrheit des Landes lebt in Frieden, die Mehrzahl der municipios (622) verzeichnet keine Morde. Es sind nur einige bestimmte Orte und Gegenden wo die Kriminalität angestiegen ist und das müsse genau analysiert werden. Vor allem einige Häfen und grenznahe Regionen seien betroffen. Und dann werden internationale Verbrecher genannt, namentlich aus Albanien, aus dem ehemaligen Land Jugoslawien, Kroaten, Italiener, Deutsche, Holländer, Nordamerikaner. Der inländische Kokaanbau würde heute von Ausländern organisiert. Es sei eine multinationale Mafia die Kolumbien heute Probleme bereitet. Er beschreibt den Begriff Quantenkriminalität, in dem vieles per Fernbedienung gesteuert wird, so z.B. aus Dubai, ein Ort des Luxus. In dem Zusammenhang erwähnt er namentlich einige Diener, ehemalige FARC-Mitglieder als wichtige Bindeglieder der Drogenjunta die in Dubai sitzen.

2366 Tonnen Kokain seien in den letzten drei Jahren beschlagnahmt worden, 62% mehr als die Vorgängerregierung. Hier sein Vorwurf an die Vorgänger-Regierungen, also auch Europa mit einer stark gestiegenen Nachfrage. In diesem Punkt hat er zweifellos recht, der Kokainkonsum in Europa ist dramatisch gestiegen. Muss man sich wundern, dass das internationale organisierte Verbrechen entsprechende Probleme in Kolumbien und Nachbarländern (Ecuador) verursacht ? Damit schliesst er das Kapitel Kriminalität, das mich in diesem Punkt ingesamt etwas ratlos zurücklässt.


In seinem letzten Thema widmet er sich der Bildung. Er erwähnt gezielte Investitionen in staatliche Universitäten und die gestiegene Zahl junger Leute die heute gratis studieren können. Auch hier wird es sehr laut im Kongress, die Meinungen offensichtlich geteilt. Tatsächlich kann ich die wenigen Zahlen die er erwähnt nicht direkt nachvollziehen. Ein gesetzlich garantierter kostenfreier Zugangs zu öffentlichen Universitäten wurde unter Petro in der Tat verabschiedet, aber die Umsetzung scheint wohl schleppend zu verlaufen. Ansonsten würde ich die Frage stellen wie es mit der Qualität der staatlichen Universitäten und Programm aussieht ? Am Ende muss es internationalen Standards genügen, sonst hilft es auch nicht viel.

Glboetrotter
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Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion?

Beitrag von Glboetrotter »

Danke sehr, ausserordentlich ausfürlich.

Massiv höhere Kaffee- und Kakaopreise an den internationalen Warenbörsen in den letzten 3 Jahren könnten der Grund für das starke Wachstum (Export) im Agrarsektor sein.

axko
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Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion?

Beitrag von axko »

@coentros: Mein Respekt für diese sachliche Auflistung dieser Show. Da muss man richtig Geduld haben um sich das anzutun.

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coentros
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Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion?

Beitrag von coentros »

Nur noch knapp 7 Monate bis zum Wahltermin nächstes Jahr. Zeit für einen Endspurt der Regierung Petro.

Vor dem Hintergrund wichtiger Eckpunkte wie z.B. des angespannten Finanzhaushalts oder Fragen der inneren Sicherheit, aber auch der grösseren Zusammenhänge wie dem historischen Urteil im Uribe-Prozess (auch wenn noch nicht rechtskräftig) oder der weltweit gestiegenen Spannungen und Polarisierung der Machtblöcke Ost und West, ist eine verantwortungsvolle, wirksame und nachhaltige Regierungsführung und Politik in Kolumbien wichtiger denn je.

Daher war mir die Analyse dieser Rede und die Bilanz, die der Präsident nach dem dritten Regierungsjahr selber zieht, sehr wichtig. Weitere Erörterungen und Diskussionen ggf. auch hier: Die Zukunft von Kolumbien | Wohin steuert Kolumbien?




Thema = Analyse gefragt: Was steckt hinter Petros Rede und Caracols Reaktion? nach hier verschoben. Eisbaer - Moderator

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