Ist es in Kolumbien üblich, Kriminelle ins eigene Haus zu lassen?

[radicalreason]

Von ein paar Jahren war ich bei den Eltern meiner inzwischen Verflossenen zu Weihnachten eingeladen. Daß sie recht bald nach dem Urlaub meine Verflossene wurde, hat auch mit dem schlechten Eindruck zu tun, den die Familie auf mich machte.

Die Familie war gutsituiert, Vater war Ingenieur, Mutter Lehrerin, und wohnte in einem Hochhauskomplex, der eine "Gated Community" bildete. Am ersten Tag, gleich nachdem ich am Flughafen abgeholt wurde - es war spätabends - wurde ich der Nachbarin vorgestellt, die auf einen kurzen Plausch hereingeschneit kam. Meine Freundin zog mich beiseite und warnte mich: "Diese Frau ist eine Diebin. Mir hat sie bereits Schmuck gestohlen. Ich habe meine Mutter schon gebeten, sie nicht mehr ins Haus zu lassen, aber Mama tut das als Spinnerei von mir ab." Auf mich machte das natürlich keinen guten Eindruck - ebenso wie die Frau selbst: bestialischer Aschenbechergestank, Ganzkörpertattoo, betrunken.

Mir ist durchaus bewußt, daß das "Jemanden-ins-Haus-Lassen" bei Latinos etwas anderes ist als bei Mitteleuropäern: Man betritt kurz das Haus des anderen, quatscht ein wenig, verabschiedet sich - eine reine Formalität, vergleichbar mit dem "Guten-Tag-Sagen" auf dem Hausgang in Deutschland (und danach denkt man sich: Komm mir bloß so bald nicht wieder unter die Augen). Aber ich fand es trotzdem, gelinde gesagt, äußerst befremdlich. Entweder meine Freundin verleumdet andere Menschen oder ihre Mutter gestattet Dieben Zutritt zur Wohnung, was ich für das so ziemlich unverantwortlichste halte, was man als Mutter nur machen kann.

Kolumbianer ähneln in ihrem Gesellschaftsverhalten sehr den Spaniern; letztere kenne ich ganz gut und weiß, daß keiner von ihnen einen (Klein-)Kriminellen in sein Haus lassen würde. Dime con quién andas y te diré quién eres.