

Vor vier Jahren erlebte Kolumbien eine der größten sozialen Mobilisierungen seiner jüngeren Geschichte. Der sogenannte Estallido Social (Sozialer Aufstand) erstreckte sich von 2019 bis 2021 und erreichte seinen Höhepunkt im Jahr 2021. Ursprünglich ausgelöst durch eine umstrittene Steuerreform unter der Regierung von Iván Duque, entwickelte sich die Bewegung schnell zu einem umfassenden Protest gegen soziale Ungerechtigkeit, wirtschaftliche Unsicherheit und staatliche Repression.
Die Proteste wurden von jungen Menschen, marginalisierten Gemeinschaften und sozialen Organisationen angeführt. Sie forderten nicht nur die Rücknahme der Steuerreform, sondern auch tiefgreifende strukturelle Veränderungen in Bereichen wie Bildung, Gesundheitsversorgung und politischer Repräsentation.
Die Antwort des Staates war hart und gewaltsam. Nationale und internationale Organisationen dokumentierten zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, darunter exzessive Polizeigewalt, willkürliche Festnahmen, sexuelle Gewalt, erzwungenes Verschwindenlassen und sogar außergerichtliche Hinrichtungen. Besonders der Escuadrón Móvil Antidisturbios (ESMAD), eine Spezialeinheit der Polizei, wurde für brutale Übergriffe verantwortlich gemacht.
Während der Proteste wurden mindestens 169 junge Menschen getötet, und insgesamt sind 970 Fälle von staatlicher Gewalt dokumentiert. Trotz dieser alarmierenden Zahlen blieben viele Fälle ungeklärt, und die Verantwortlichen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen.
Vier Jahre nach dem Aufstand herrscht weiterhin Straflosigkeit. Die Regierung von Gustavo Petro, die sich während des Wahlkampfs für eine Kommission der Wahrheit zur Aufklärung der Vorfälle ausgesprochen hatte, hat dieses Versprechen bisher nicht eingelöst. Viele Opfer und ihre Familien warten noch immer auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Die fehlende juristische Aufarbeitung und die systematische Archivierung von Fällen durch die Behörden haben das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen weiter geschwächt. Die Protestbewegung hat zwar die politische Landschaft Kolumbiens verändert, doch die grundlegenden Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Reformen bleiben weitgehend unerfüllt.
Fazit: Der soziale Aufstand in Kolumbien war ein historischer Moment des Widerstands gegen Ungleichheit und staatliche Gewalt. Doch vier Jahre später bleibt die Straflosigkeit bestehen, und viele Opfer haben keine Gerechtigkeit erfahren. Die Forderung nach einer Kommission der Wahrheit und einer umfassenden juristischen Aufarbeitung bleibt eine zentrale Herausforderung für die kolumbianische Gesellschaft und ihre Regierung.