@gordito54: Danke für Deine Perspektive! Meine Erfahrung ist eine ganz andere. Im Gegensatz zu jemandem mit einer europäischen Rente sind meine Einkünfte hier vor Ort verdient und begrenzt.
Für mich sind 10.000 Pesos keine 'paar Pesos', die man 'gerne mal gibt', sondern ein bewusster und fairer Ausdruck des Respekts vor der Arbeit des anderen. Diese Summe hat für mich und den ehemaligen Fleischer das gleiche Gewicht. Weil wir uns kennen und in derselben Realität leben, finden wir einen Preis, der für uns beide stimmt – ohne Berechnung in Euro oder dem Gedanken, man 'brauche' den anderen ja vielleicht noch.
So bin ich kein 'gringo', der etwas verschenkt, sondern schlicht ein Nachbar, der unter gleichen Bedingungen lebt und faire Geschäfte macht.
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Als technisch nicht unbedarfter, und das ist IT, Telekommunikation, Elektronik, Elektrik, Mechanisch, bin ich, wenn ich in Kolumbien bin, immer gut beschäftigt. Habe aber die Erfahrung gemacht, dass Nachbarschaftshilfe nicht selten eine Einbahnstraße ist.
Hatte früher sogar einiges an Werkzeug bei meiner Schwägerin gelagert aber die ist so kompliziert, dass alles was in der Wohnung ist und sie es nicht persönlich braucht, lästig ist. Mein Schwager hat eine Bohrmaschine die er aber gar nicht braucht, hat er einfach mal so gebraucht gekauft…, die ist in einem erbärmlichen Zustand…, von den Bohrern gar nicht zu reden. OK, ich sehe es halt nach wie vor mit meinen Deutschen Ausgaben und beruflicher Erfahrung als Bauleiter für internationale Großprojekte der Energie-Management-Branche.
Ich würde Nachbarschaftshilfe die bei mir gemacht wird nur für ungefährliche und unkritische Dinge akzeptieren, was oftmals hinzukommt ist das Misstrauen jemanden in die Wohnung zu lassen bzw. gelassen zu werden.
@desertfox: Danke auch für deine Schilderung. Ich kann mir gut vorstellen, dass du als ehemaliger Bauleiter das mit anderen Augen siehst, und verstehe auch voll und ganz, wenn du nichts von der Idee hältst – die ja auch nicht unbedingt überall funktionieren muss.
Sie zeigt sehr gut, welche Hürden es geben kann, vor allem, wenn man nicht durchgängig vor Ort ist. Dieses Misstrauen und das Gefühl einer Einbahnstraße kenne ich gut – aber genau das versuche ich mit meinem Ansatz zu durchbrechen.
Ich lebe jedoch ganz anders als du und wollte mit meinen Beiträgen aufzeigen, dass es auch anders geht. Der Schlüssel war für mich, dauerhaft hier zu leben und die lokalen Realitäten nicht nur zu sehen, sondern auch zu teilen. Wenn man die gleichen Preise zahlt und vom gleichen Geld leben muss, entsteht fast automatisch eine andere, faire Ebene. Plötzlich ist es keine Einbahnstraße mehr, sondern ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe – es funktioniert, wenn man integriert ist und nicht von oben herab dirigiert.
Dieser Vertrauensvorschuss hat sich für mich immer gelohnt und ist für mich der Kern einer funktionierenden Gemeinschaft.
Abgesehen davon könnte ich auch ganz anders reagieren und den Hausbesitzer informieren. Da dieser mich aber sehr fair behandelt und die Miete niedrig hält, versuche ich auf meine Art, etwas von dieser Fairness zurückzugeben, indem ich solche Kleinigkeiten selbst regle.
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@Eisbaer Genau diesen Gedanken vertrete ich auch. Das war schon so, als ich lediglich einige Monate im Jahr hier verbrachte. Das heißt, ich bin in Kolumbien und bemühe mich, lokale Maßstäbe anzuwenden und „in Pesos zu denken”. Jetzt, wo ich hier lebe, mehr denn je.
Ich weiß, dass sich viele darüber beschweren, dass der Peso wieder an Wert gewonnen hat. Auch wenn ich mein Einkommen in anderen Währungen beziehe, freue ich mich darüber, denn das ist gut für das Land.
Mit der Hilfe unter Nachbarn habe ich ambivalente Erfahrungen gemacht. Es ist nicht leicht, ein Gleichgewicht zu finden, insbesondere wenn es um eine Gegenleistung in bar geht.
Bei verschiedenen Arbeiten habe ich gelernt, auf Hilfe zu verzichten und dankend abzulehnen. Dabei habe ich das gleiche Problem wie @desertfox. Da ich ursprünglich eine handwerkliche und technische Ausbildung habe und früher in der Qualitätskontrolle tätig war, bin ich so geprägt, dass mein Umfeld mich bereits als pathologisch pingelig bezeichnet. Im Italienischen gibt es ein Sprichwort, das besagt: „Chi fa da se fa per tre” (Wer es selbst macht, macht es für drei, im sinne selbst ist der Mann oder hilf dir selbst so hilft dir Gott), und was ich kann, mache ich selbst, nach meinen Standards. In technischen oder handwerklichen Fragen biete ich nur sehr selten meine Unterstützung an, einfach weil ein professioneller Standard auf europäischem Niveau nicht geschätzt wird. Und das meine ich nicht negativ, es sind einfach zwei verschiedene Welten.
Als Hilfe unter Nachbarn schätze ich hier sehr der Austausch bestimmter lokaler Informationen oder wenn man sich gegenseitig informiert, wenn es verdächtige Bewegungen in der Umgebung gibt. Wir Nachbarn halten gegenseitig die Augen offen und zeigen Präsenz gegenüber Dritten. Aber in der Vereda ist seit wir hier sind glücklicherweise noch nie etwas passiert. Aber vielleicht auch dank dieser Art von gegenseitiger Solidarität.
Unter den Campesinos werden hier Obst und Gemüse ausgetauscht. Wir verschenken lieber Zitrusfrüchte von der Finca, als sie zu tauschen, da hier oft unverantwortlich mit Chemikalien umgegangen wird. Ein Nachbar erntete sogar um Folgetag an dem er einen Chemikalien-Mix gesprüht hatte. Wir tauschen allenfalls mit den wenigen Nachbarn, die sich dem Programm für biologischen Anbau angeschlossen haben.
Was hier sehr geschätzt wird, ist, wenn ich jemanden mit dem Auto mitnehme. Vor allem, wenn sie mit Einkäufen aus dem Pueblo zurückkommen müssen (einen Weg von ca. 3,5 km mit einem Höhenunterschied von fast 400 m). Gerne Fahre ich auch Leute der Vereda zum Arzt usw., die sich kein Mototaxi leisten Können. Letzthin eine Frau, sie meinte es sei das erste mal, dass ihr jemanden mit einer "Camioneta" eine "Paloma" angeboten habe.
Im kleinen Ortsspital ist sie dann sichtlich mit entsprechendem Stolz ausgestiegen. Am Folgetag hat sie dann die wenige Eier, von dessen Ertrag sie sich über Wasser hält als Gegenleistung vorbeigebracht. Ich musste hartnäckig darauf drängen sie bezahlen zu können. Manchmal fragen sie mich, ob ich Guadua-Stangen verkaufe, die ich meinen Nachbarn natürlich kostenlos überlasse. Gelegentlich leihen sie sich meine Bohrmaschine oder andere Werkzeuge aus. Diese gebe ich jedoch nicht aus der Hand, sondern ziehe es vor, selbst die drei oder vier Löcher zu bohren. Mit dem Verleihen von Werkzeugen habe ich zu viele negative Erfahrungen gemacht.
Wenn wir Arbeiten durchführen oder etwas renovieren, fragen uns die Nachbarn nach den „sobrados”, die wir wegwerfen. Es macht mir jedoch Mühe, Dinge in schlechtem Zustand zu verschenken, deshalb gebe ich ihnen lieber Dinge in gutem Zustand und verlange gegebenenfalls einen symbolischen und sehr bescheidenen Preis, der der wirtschaftlichen Lage der Empfänger angemessen ist.