Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

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Eisbaer
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von Eisbaer »

In Kolumbien ist es grundsätzlich möglich, Immobilien bereits zu Lebzeiten auf Familienmitglieder zu übertragen, sei es durch Schenkung oder Verkauf. Dies kann verhindern, dass die Immobilien später Teil des Nachlasses werden und potenziell Streitigkeiten unter den Erben auslösen. Ein bekanntes Beispiel aus Medellín ist der Fall eines wohlhabenden Unternehmers, der durch seine zahlreichen Beziehungen und Kinder ein komplexes Erbe hinterlassen hätte. Um Konflikte nach seinem Tod zu vermeiden, regelte er die Verteilung seines Vermögens bereits zu Lebzeiten.

Das kolumbianische Erbrecht weist viele Ähnlichkeiten mit dem deutschen Erbrecht auf. So gibt es auch in Kolumbien einen Pflichtteil (legítima), der bestimmten Angehörigen – in der Regel dem Ehepartner und den direkten Nachkommen – zusteht. Eine vollständige Enterbung dieser Personen ist daher nicht möglich. Allerdings kann ein Testament genutzt werden, um den verfügbaren Teil des Erbes (der über den Pflichtteil hinausgeht) individuell zu gestalten und bestimmte Erben gezielt zu begünstigen oder auszuschließen.

Ein entscheidender Unterschied zum deutschen Recht ist, dass es in Kolumbien keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch für Schenkungen innerhalb einer bestimmten Frist gibt. Das bedeutet, dass eine frühzeitige Übertragung von Immobilien eine effektive Strategie sein kann, um den Zugriff bestimmter Erben auf das Erbe zu beschränken. Allerdings können Schenkungen oder Verkäufe, die deutlich unter dem Marktwert liegen, in manchen Fällen rechtlich angefochten werden, insbesondere wenn sie als Versuch gewertet werden, den Pflichtteil zu umgehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ja, Immobilien können in Kolumbien bereits zu Lebzeiten übertragen werden, um bestimmte Erben auszuschließen. Eine vollständige Enterbung ist jedoch aufgrund des Pflichtteils nicht immer möglich. Ein Testament bietet die Möglichkeit, den verfügbaren Teil des Erbes gezielt zu verteilen und individuelle Wünsche umzusetzen. Es ist jedoch ratsam, sich rechtlich beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass alle Maßnahmen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und spätere Konflikte vermieden werden.
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axko
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von axko »

Ein interesanter Beitrag. Danke.
Erlaube bitte eine Frage , verstehe diesen Satz nicht richtig "Schenkungen oder Verkäufe, die deutlich unter dem Marktwert liegen" . Also Verkauf unter Marktwert ist klar , Schenkung unter Marktwert - das versteh ich nicht. Nach was richtet sich der Marktwert einer Schenkung?
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Eisbaer
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von Eisbaer »

Vielen Dank für Dein Interesse und Deine Frage!

Bei einer Schenkung gibt es erklärtermaßen keinen Kaufpreis, daher orientiert sich ihr Wert an objektiven Maßstäben – insbesondere am Marktwert der Immobilie. Dieser wird in Kolumbien durch verschiedene Faktoren bestimmt, etwa durch offizielle Schätzungen (avalúo catastral oder avalúo comercial), Vergleichswerte ähnlicher Immobilien in der Region oder Gutachten von Sachverständigen.

Wenn eine Immobilie beispielsweise mit einem deutlich niedrigeren Wert als dem Marktwert in offiziellen Dokumenten angegeben wird – sei es, um Steuern zu sparen oder spätere Erbansprüche zu beeinflussen –, könnte dies rechtlich problematisch sein. In bestimmten Fällen könnten Behörden oder Erben eine solche Schenkung anfechten.
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axko
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von axko »

Also um Korrekt zu sein machen wir ein Beispiel. Ich habe eine Inmobilie, sagen wir mal, mit einem Marktwert von 300 Millionen COP und mit einem Katasterwert von 50 Millionen und verschenke diese Inmobilie an einem Patenkind z.B. Beim Notariat erfolgt eine Überschreibung mit dem in der Registratur angegebenen Katasterwert, also den 50 Millionen. Dann ist doch alles Butter oder sehe ich das falsch?
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Eisbaer
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von Eisbaer »

Vielen Dank für Dein Beispiel!

Bis zum Jahr 2019 war das, was Du schreibst, der übliche Weg. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2019 ist es nicht mehr möglich, eine Immobilie im Notariat lediglich zum Katasterwert zu überschreiben. Stattdessen muss der in der notariellen Urkunde angegebene Wert dem marktüblichen Preis vergleichbarer Immobilien zum Zeitpunkt der Übertragung entsprechen.

Ich hoffe, ich konnte Deine Frage damit beantworten!
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axko
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von axko »

Nochmals besten Dank lieber Eisbaer. Diese Neuerung ist mir bekannt. Bis jetzt hatte ich lediglich mit einem Notariat in Medellin zu tun die den ausgehandelten Preis im Vertrag sehen wollten. Im grossen ganzen wird das aber noch ziemlich grosszügig behandelt. Besonders interesant finde ich Faelle indem eine "compravende" als Besitzurkunde herhalten muss. Diese Art von Urkunde habe ich häufig an der Costa gesehen. Das wird dann richtig abeuteuerlich. ;)
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Holger78
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Immobilienübertragungen und Erbrecht in Kolumbien: Was Ihr wissen solltet

Beitrag von Holger78 »

@Eisbaer
Sorry für die Nachfrage: Heißt dass dann das der Wert der Immobilie quasi auch höher oder niedriger ausfallen kann/muss als er zum Beispiel beim Erwerb gewesen ist? Und muss dann dieser Wert herangezogen werden?

desertfox
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Beitrag von desertfox »

@Holger,

sicher, der Wert kann höher oder niedriger als früher sein, er sollte/muss aber schon marktgerecht sein.
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Eisbaer
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Kolumbianisches Erbrecht: Vielfalt, Verfahren und internationale Perspektiven

Beitrag von Eisbaer »

Das kolumbianische Erbrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sich merklich von vielen europäischen Systemen unterscheidet. Insbesondere für deutschsprachige Erben, die Vermögenswerte oder Immobilien in Kolumbien erben, stellen sich häufig Fragen bezüglich der Zuständigkeiten und Besonderheiten im internationalen Kontext. Dieser Bericht gibt einen detaillierten Überblick über die maßgeblichen Regelungen und erklärt, worauf Erben im Falle eines kolumbianischen Erbfalls achten müssen.

Nach kolumbianischem Recht bestimmt sich das Erbrecht grundsätzlich nach dem Prinzip des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Erblassers. Das bedeutet, dass das Recht des Staates Anwendung findet, in dem der Verstorbene zuletzt gelebt hat, sofern keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen wurde. Diese Regelung bringt insbesondere im internationalen Kontext Herausforderungen mit sich, wenn der Erblasser beispielsweise neben kolumbianischen auch ausländische Bindungen hatte. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, durch ein Testament oder einen Erbvertrag – im Einklang mit der EU-Erbrechtsverordnung, sofern anwendbar – ein anderes Recht, wie etwa das deutsche Erbrecht, zu wählen.

Ein zentrales Element im Erbrecht ist das Testament. In Kolumbien gelten strenge Formvorschriften: Testamente müssen in der Regel notariell beurkundet und registriert werden. Da Kolumbien nicht dem Haager Testamentsübereinkommen beigetreten ist, kann die Anerkennung von ausländisch errichteten Testamenten, z. B. aus Deutschland, problematisch sein, wenn diese nicht den kolumbianischen Formvorschriften entsprechen. Deutsche Staatsangehörige können allerdings durch eine entsprechende Rechtswahl in ihrer letztwilligen Verfügung sicherstellen, dass im Erbfall das gewählte Recht Anwendung findet. So können spätere Rechtsstreitigkeiten und Komplikationen vermieden werden.

Wie in vielen zivilrechtlich geprägten Systemen existieren auch im kolumbianischen Erbrecht gesetzliche Pflichtanteile. Diese Regelungen schützen nahe Angehörige – insbesondere Ehegatten und Kinder – vor einer vollständigen Enterbung. Die genaue Höhe und der Umfang des Pflichtteils hängen von der familiären Situation und der Anzahl der Erben ab und sind im kolumbianischen Zivilgesetzbuch (Código Civil) detailliert festgelegt. Die Pflichtteilsregelungen stellen sicher, dass selbst bei einer testamentarischen Verfügung eine Mindestabsicherung der Angehörigen erfolgt.

Das Verfahren der Nachlassabwicklung in Kolumbien kann, bei Einvernehmen aller Erben, relativ unkompliziert notariell erfolgen. Stimmen sich jedoch die Erben nicht über die Aufteilung des Nachlasses, muss der Fall vor einem Zivil- oder Familiengericht verhandelt werden. Bei größeren Vermögen, die beispielsweise bei Immobilien häufig der Fall sind, ist die Hinzuziehung eines spezialisierten Rechtsanwalts nahezu unumgänglich, da zusätzliche rechtliche und steuerliche Prüfungen vorgenommen werden müssen. Die notarielle und gerichtliche Abwicklung unterliegt klar geregelten Fristen und Formalitäten, die es zu beachten gilt, um spätere Komplikationen zu vermeiden.

Ein weiterer gewichtiger Punkt sind die steuerlichen Konsequenzen einer Erbschaft in Kolumbien. Es besteht die Möglichkeit der Doppelbesteuerung, da Kolumbien und Deutschland aktuell kein Doppelbesteuerungsabkommen hinsichtlich der Erbschaftssteuer abgeschlossen haben. Demnach können Erbschaften sowohl in Kolumbien als auch im Heimatland des Erben steuerlich relevant werden. Für betroffene Personen ist es daher dringend anzuraten, einen Fachsteuerberater hinzuzuziehen, um steuerliche Doppelbelastungen und unerwartete Nachzahlungen zu vermeiden.

Internationale Erbfälle stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Entscheidend für das anwendbare Erbrecht ist, wie bereits erwähnt, in erster Linie der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Diese Regelung kann insbesondere dann komplex werden, wenn der Erblasser über mehrere Länder verteilt gelebt oder enge Bindungen zu unterschiedlichen Rechtssystemen unterhalten hat. Die Einführung und Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung seit dem 17. August 2015 hat zudem die Dynamik in internationalen Erbfällen verändert. Auch wenn Kolumbien nicht Mitglied der EU ist, kann die Erbrechtsverordnung indirekte Auswirkungen haben, wenn europäische Staatsangehörige betroffen sind. In solchen Fällen ist eine explizite Rechtswahl im Testament von entscheidender Bedeutung, um Klarheit zu schaffen und spätere Rechtsstreitigkeiten zu minimieren.

Das kolumbianische Erbrecht vereint traditionelle zivilrechtliche Prinzipien mit spezifischen nationalen Regelungen, die insbesondere im internationalen Kontext zu beachten sind. Neben dem grundsätzlichen Wohnsitzprinzip und den strengen Formvorschriften für Testamente spielen auch Pflichtteilsregelungen und spezielle Verfahren der Nachlassabwicklung eine wesentliche Rolle. Zudem ist die steuerliche Behandlung von Erbschaften ein ausschlaggebender Punkt, der einer sorgfältigen Beratung bedarf. Für deutsch-stämmige Erben, die in Kolumbien mit einem Erbfall konfrontiert werden, empfiehlt es sich, sowohl deutsche als auch kolumbianische Fachanwälte und Steuerberater frühzeitig einzubinden, um mögliche Fallstricke zu vermeiden.

Werden die internationalen Dimensionen des Erbrechts und die Möglichkeit einer expliziten Rechtswahl umfassend berücksichtigt, lassen sich potentielle Konfliktpunkte im Erbfall nachhaltig klären. Zukünftige Entwicklungen, wie beispielsweise aktuelle Gerichtsurteile oder Änderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, sollten ebenfalls kontinuierlich beobachtet werden, um stets auf dem neuesten Stand zu bleiben.



Abschließend lässt sich festhalten, dass die hier präsentierten Inhalte auf gewissenhaften und umfassenden Recherchen beruhen, jedoch keinesfalls den individuellen Rechtsbeistand ersetzen können.
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