Hola und einen schönen Nikolaustag und eine weiterhin schöne Adventszeit.
Inzwischen sind die Strassen und viele Häuser im Pueblo und in der Vereda reichlich geschmückt. Einige haben bereits vor dem 1. Advent geschmückt, andere bringen die Dekorationen und Lichter bewusst erst am Tag der
Velitas an. Wir gehören zu den wenigen, die keine elektrische Beleuchtung anbringen. Der Lichterkarneval um uns herum ist reicht uns aus.
Es gibt nur wenige Dekorationen, die besonders geschmackvoll sind. Ansonsten ist die Mehrheit ein orgiastischer, zügelloser Exzess hysterischer, karnevalesker Lichter, die eher an die Laszivität von Las Vegas oder an die Rotlichtviertel erinnern, als an Weihnachten.
Ich bleibe traditionell, zünde ein paar Kerzen und vor allem Öllaternen an, die ich gerne selbst anfertige, einfach, aber stimmungsmässig wirkungsvoll.
Für viele sind Weihnachtslichter ein Symbol, ein Mittel, um Stolz und Wohlstand zu zeigen und auszudrücken. Leider auch dort, wo Letzteres das Gegenteil einer traurigen Realität ist.
Dann passiert es vielleicht, wie letztes Jahr unseren Nachbarn, dass sie, als nach den Feiertagen die Stromrechnung kam, mehr als eine Woche lang im Dunkeln saßen, weil sie den Strom nicht bezahlen konnten.
Da die alte, kranke Grossmutter bei ihnen wohnte, konnte ich das nicht ignorieren und habe ihnen für diese Zeit über ein Verlängerungskabel Strom zur Verfügung stellen lassen.
Morgen ist hier, wie vermutlich landesweit, ein grosser Festtag mit den „Velitas“, ein Tag, an dem die Menschen in Weihnachtsstimmung kommen.
Wir gehen bereits heute, am Nikolaustag, zu unseren Nachbarn, Bekannten usw., um ihnen eine schöne Vor- und Weihnachtszeit zu wünschen und ihnen einen Weihnachts Panettone zu schenken, wie es in meiner Heimat Tradition ist.
So wie meine Frau sagt, um diese Verpflichtung schon jetzt hinter uns zu bringen, denn die Tage um Weihnachten herum sind für uns immer sehr anstrengend. Neben den Feiertagen und den Verpflichtungen gegenüber der Familie gibt es in dieser Zeit mehrere Geburtstage in der Familie.
Nach einer ereignisreichen Zeit auf mehreren Ebenen habe ich endlich etwas mehr Ruhe. Mit meiner Aufenthaltsgenehmigung in der Tasche und der „Cédula de Extranjería“, die mir unerwartet schnell ausgestellt wurde, konnte ich viele Dinge in Angriff nehmen.
Ich dachte, ich müsste in die Schweiz reisen, um mich um einige Angelegenheiten zu kümmern, aber zum Glück konnte ich einige Dinge delegieren oder unerwartet doch online erledigen (im Hinblick auf den Umzug hatte mir im August mein Bankberater empfohlen, mir ein S/MIME-Zertifikat ausstellen zu lassen, das seiner Meinung nach die Akzeptanz verschiedener Institutionen für die Korrespondenz per E-Mail erhöhen könne. Tatsächlich hat sich die Zertifizierung bereits als nützlich erwiesen.).
So blieb mir der Stress des Reisens erfreulicherweise erspart. Ausserdem konnte ich mir mein Flugticket erstatten lassen (abzüglich der bescheidenen Stornogebühr), das ich bereits Anfang September als Ticket für die Einreise (als Tourist) nach Kolumbien gekauft hatte.
Anfang des Monats hatten wir das Glück, von meiner Schwägerin eine kleine Wohnung im Haus der Familie mieten zu können, so dass wir wieder ein „Pied-à-terre“ im Pueblo selbst haben, nachdem meine Frau ihre Wohnung bereits ihrem Patenkind vermacht hat. Die Schwägerin war zudem froh, eine Ausrede zu haben, um einen, sagen wir mal, suboptimalen Mieter rauszuschmeissen.
Für bescheidene 500 Tausend im Monat haben wir wieder unseren eigenen Raum, wenn wir im Pueblo sind, und den Vorteil, dass wir wieder im Pueblo übernachten können. Das erlaubt mir, oder macht es mir zumindest viel leichter, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
An bestimmten festen Abenden in der Woche treffen sich offene oder geschlossene Gruppen zu Freizeit- oder Kulturaktivitäten. Spätabends anschliessend mit dem Auto zur Finca zurückzukehren, reizt mich nicht.
Ausserdem hätten wir, wenn ich das Glück haben sollte, die Finca kurzfristig verkaufen zu können, bereits eine Bleibe, zumindest bis wir langfristig etwas Passenderes finden. Aber das ist ein Kapitel für sich.
Als Dauerbewohner ändern sich nun die Gewohnheiten.
Da wir nun dauerhaft hierher gezogen sind, habe vor allem ich Gewohnheiten mitgebracht, die ich hier vorher, im temporären Aufenthalt, nicht unbedingt gelebt und gepflegt habe.
Die Küche.
Vor kurzem gab es hier im Forum eine Diskussion über die Verfügbarkeit von europäischen Lebensmitteln in Kolumbien.
Da wir jetzt hier ansässig sind, haben wir automatisch auch unsere kulinarischen Gewohnheiten hier ein wenig geändert. Wir sind nicht mehr im Urlaub, wir haben weniger Gäste am Tisch und wir haben uns etwas rationeller organisiert. Ein grosses Manko hier in Kolumbien (zumindest hier vor Ort) war immer die Qualität (und teils die Verfügbarkeit) der Lebensmittel. Behandeltes Obst und Gemüse, stark verarbeitetes, angereichertes und gebleichtes Weissmehl, ecc. Nicht deklariertes Fleisch, mit Rückständen von Antibiotika und Medikamenten usw. (Eine Nichte hatte etwa ein halbes Jahr lang als Stellvertreterin für Betriebstierärztin in einem Grossschlachthof gearbeitet, und die Dinge, die sie dort antraf, trugen sicher nicht dazu bei, meinen Appetit auf Fleisch zu fördern.
Anfang September war eines der ersten Dinge, die ich tat, ein Stück Feld zu pflügen, damit meine Frau einen Gemüsegarten anlegen konnte, wie sie sich sehnte. Wir die ersten Köstlichkeiten bereits geniessen können, mit Freude Frauchens Genugtuung.
Frische aus dem Bio-Garten direkt auf den Tisch.
Gestern Abend zum Beispiel erneut einen knackigen grünen Salat mit frisch gepflücktem Rucola und Radieschen. Gemüse und Grünzeug haben wir noch nicht, aber wir bekommen es von den Vereda-Nachbarn, die Teil einer von ‚SENA‘ initiierten und begleiteten Bio-Anbau-Gruppe sind. Mit unserer Nachfrage und der Zahlung fairer Preise tragen wir dazu bei, ihre Motivation aufrecht zu erhalten und, dass sie das Projekt nicht aufgeben. Bei uns wachsen dafür die Kräuter, die meine Frau gesät hat, üppig und in grossen Mengen. Auch davon ernten wir bereits.
Da ich davon ausging, dass ein Grossteil der Aussaat nicht keimen würde (aufgrund des Wetters und teilweise aufgrund des Saatguts, das zum Teil mehrere Jahre alt ist), hat meine Frau großzügig mehrere Kisten ausgesät. Jetzt haben wir jede Menge Kräuter und Kräutersetzlinge.
In naher Zukunft möchte ich einen kleinen mediterranen Garten mit einem Sitzplatz anlegen, in dem wir weiterhin Kräuter in einem geeigneten Boden und Umfeld anbauen können. Für uns, mit der Leidenschaft und Tradition des Kochens, ein wichtiges Element.
Die Ansässigkeit hier rechtfertigt auch die Bestellung von z.B. Bio-Mehl. Hier im Pueblo findet man nur das oben erwähnte hochverarbeitete Weissmehl. Zuvor, bei periodischem Aufenthalt, rechtfertigte sich das Halten eines Mehlvorrates nicht.
Für Fleisch haben wir einen Campesino gefunden, der ein paar wenige Tiere züchtet und ganz auf Bioligisch setzt. Wir haben uns schon auf die Liste für Fleisch für die nächste Schlachtung gesetzt.
Frische Eier von Freiland-Hühnern und Hühnerfleisch, ebenfalls aus nachhaltiger Landwirtschaft, können wir bei einer Dame hier in der Vereda beziehen. Sie verkauft die Hühner nur als Ganze, schlachtet sie und bereitet das Huhn in seine Einzelteile zerlegt zu und liefert es frisch und gerüstet, um in die Pfanne zu hauen oder zum Einfrieren.
So kommst du zu Teile, die du im Supermarkt nicht gekauft hättest (oder gar nicht angeboten bekommen hättest). Das Gleiche gilt für Rindfleisch im Direktkauf. Das führt zur Wiederentdeckung und Wiederbelebung von fast vergessenen Praktiken und Traditionen. Zum Beispiel die Herstellung von Hausgemachte Brühe und Fond.
Natürlich braucht das alles seine Zeit und ist auch ein persönlicher Prozess, bei dem es darum geht, mit früheren Gewohnheiten zu brechen, die durch den Zeitmangel aufgrund der beruflichen Tätigkeit diktiert waren.
Wenn ich früher zum Beispiel Risotto mit Brühwürfeln gemacht habe (eben aus Zeitmangel), mache ich heute wieder Risotto auf die altmodische Art, wie ich es von meinem Grossvater gelernt habe, mit Brühe oder selbst gemachtem Fond.
Ich habe hier seit Jahren befremdende Erfahrungen gemacht, was die Vorstellungen und Überzeugungen in Bezug auf die Ernährung und das Kriterium der Lebensmittelqualität und -wertes, aber auch der geschmacklichen Vorlieben angeht.
Viele, zu viele Menschen assoziieren zunehmend bestimmte Produkte, die massenproduziert, industriell hergestellt, stark verarbeitet und vor allem mit namhaften Marken versehen sind, mit einem Qualität.
Das verdanken wir der Lobby und dem eifrigen Werben der grossen Lebensmittelindustrien mit entsprechenden Ideen und Bildern.
Ich erinnere mich an eine Bekannte, die vor zwei Jahren eine Bestellung für uns in Medellin abgeholt und zu uns nach Hause gebracht hatte. Fasziniert von der Finca hatte sie es sich gemütlich gemacht und blieb eine ganze Weile, so dass ich mich am späten Nachmittag, als ich in der Küche die Mise en Place für das Risotto (schon wieder Risotto) des Abendessens vorbereitete, fast gezwungen sah, sie aus Höflichkeit beim Apéro zu Tisch einladen.
Eine frustrierende, aufschlussreiche und - mit dem heutigen Abstand - amüsierende Erfahrung.
Auf schon belehrende selbstsichere Weise versäumte sie es nicht, mich auf Alternativen zu dem, was ich servierte, und auf die Zutaten und Methoden, die ich in der Küche anwendete, aufmerksam zu machen. Natürlich richteten sich alle ihre "Empfehlungen" an hochverarbeitete Fertigprodukte.
Die Hälfte der Zutaten des Belages meiner Hausgemachten Canapés und der Pizzette entfernte sie. Entweder weil sie behauptete, dass sie sie nicht mochte oder weil sie sie nicht kannte. Oliven und Kapern behauptete sie, nicht zu mögen, um dann zu gestehen, dass sie sie noch nie probiert hatte.
Zum Prosecco wollte sie Coca Cola geben (was wir sowieso nicht zu hause haben), dann wollte sie mir beibringen, dass man heutzutage keine Brühe mehr mache, sondern Brühwürfel verwende, die ihrer Meinung nach von viel besserem Geschmack und Qualität seien.
Den Höhepunkt erreichte sie, als sie behauptete, dass Risotto besser gelingt, wenn man ihn in einem elektrischen Reiskocher zubereitet.
Natürlich hatte sie keine Ahnung was Risotto überhaupt sei. Heute amüsieren wir uns Köstlich, wenn wir daran denken.
Ich mache die Erfahrung, dass leider hier die Chemielobby in der Landwirtschaft und die hochverarbeiteten Produkte in der Lebensmittelbranche Hochkonjunktur haben.
Es ist nicht leicht, die Menschen von einer gesünderen und nachhaltigeren Richtung zu überzeugen.
Im Laufe der Zeit haben wir jedoch Menschen kennengelernt, die die Hausmannskost schätzen, und durch meine gelegentliche Tätigkeit als „fliegender Koch” sind neue Bekanntschaften und Freundschaften entstanden.
Es hat sich auch eine kleine Gruppe gebildet, die sich gelegentlich trifft, um gemeinsam zu kochen und anschließend das Mahl mit einem guten Tropfen Wein zu genießen, während man über Gott, die Welt und ... die Küche philosophiert.
Endlich schliesse ich und gehe meine Lebkuchen backen und all denen die es bis hier ausgehalten haben

, wünsche ich einen
schönen restlichen Nikolaustag und eine
frohe Adventszeit.